Nach Protesten Richard-Wagner-Konzert in Israel abgesagt


Es hätte der erste Konzertabend in Israel nur mit Musik des antisemitischen Komponisten Richard Wagners sein sollen. Holocaust-Überlebende protestierten heftig. Nun sagte die Universität Tel Aviv das geplante Konzert ab – und fühlt sich vom Veranstalter getäuscht. Die Universität Tel Aviv hat einen geplanten Konzertabend mit Werken Richard Wagners in ihren Räumlichkeiten abgesagt. Die Veranstaltung „überschreite eine rote Linie“, schrieb die Universität zur Begründung der Absage: „Sie würde die Gefühle der israelischen Öffentlichkeit im Allgemeinen und der Holocaust-Überlebenden im Besonderen verletzen.“ Man habe den Veranstalter schriftlich über diese Entscheidung informiert, teilte eine Sprecherin der Universität am Dienstag mit.

Die Musikveranstaltung, die für den 18. Juni im Smolarz-Auditorium der Universität Tel Aviv geplant war, wäre das erste grosse Wagner-Konzert in Israel seit der Gründung des Staates im Jahre 1948 gewesen. Wagner, der von 1813 bis 1883 lebte, war entschiedener Antisemit, seine Werke waren während der Zeit des Nationalsozialismus enorm beliebt. Adolf Hitler verehrte den Komponisten bereits seit seiner Jugend. Nach den Pogromen gegen Juden in Deutschland im November 1938, spielte das Eretz Israel Symphonic Orchestra – das damals in Palästina aktive Vorläufer-Ensemble des Israel Philharmonic Orchestra – demonstrativ nicht mehr die Musik Wagners. Seitdem gilt in Israel ein inoffizieller Boykott Wagners, der zwar bereits mehrfach durchbrochen wurde, etwa durch den argentinisch-israelischen Dirigenten Daniel Barenboim – in regulären Konzerten jedoch wurde die Musik so gut wie nie gespielt.

Der Vorsitzende der israelischen Wagner-Gesellschaft, Jonathan Livny, der das Konzert veranstalten wollte, sagte der Nachrichtenagentur dpa, man wolle nun vor Gericht gegen die Universität vorgehen, um sie zu zwingen, das Konzert vereinbarungsgemäss abzuhalten. „Wir suchen nach einer Lösung.“ Man prüfe auch, ob das Konzert an einem anderen Ort stattfinden könne.

Die Universitätsleitung schrieb, sie habe „heftige und wütende Beschwerden und Forderungen nach einer Absage des umstrittenen Konzerts erhalten“. So hatte etwa Uri Chanoch, Sprecher einer Dachorganisation von Holocaust-Überlebenden an den Präsidenten der Universität geschrieben, und die Vorstellung, das Wagners Musik in Israel gespielt werden könne, eine „emotionale Folter“ genannt.

Bei der Veranstaltung an der Universität in Tel Aviv sollte unter der Leitung des Dirigenten Asher Fisch ein eigens für diesen Zweck zusammengestelltes Orchester von etwa hundert israelischen Musikern spielen. Fisch sagte der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag, man bemühe sich gegenwärtig intensiv darum, dass das Konzert doch noch stattfinden könne.

Unter anderem wollte man die Ouvertüren von „Tannhäuser“ und den „Meistersingern“, den Liebestod aus „Tristan und Isolde“, den Walkürenritt aus dem „Ring des Nibelungen“ sowie Siegfrieds Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“ aufführen. Eingerahmt hätte das Konzert laut der israelischen Zeitung „Haaretz“ durch wissenschaftliche Vorlesungen werden sollen, etwa über den Einfluss Wagners auf den Zionisten Theodor Herzl.

Die Universität Tel Aviv beschwerte sich besonders darüber, dass sie bei der Anfrage nach Vermietung des Auditoriums absichtlich nicht darüber informiert worden sei, dass Wagner-Musik gespielt werden solle, und welche Organisation hinter dem Gesuch stehe. Der Wagner-Gesellschafts-Vorsitzende Livny wies dies jedoch heftig als „Quatsch“ zurück. Es gebe sogar einen Briefwechsel mit der Universität zu dem Thema. (dpa)



Kategorien:Kultur

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