Über zahlreiche Museen und Universitäten zerstreut, harren etwa 350.000 Fragmente aus der Kairoer Genizah ihrer Erforschung. Nun bringt ein revolutionäres Digitalisierungs-Projekt die Geheimnisse dieser einzigartigen Dokumente ans Licht.
Als Nachkomme einer alten, sephardischen Familie hat der Cambridge Historiker David Abulafia einen eigenen Zugang zu der jüdischen Geschichte des Mittelmeerraums. Er kennt keine Sammlung historischer Dokumente, die sich in diesem Zusammenhang mit der Kairoer Genizah messen könnte: «Diese Dokumente erhellen nicht nur das Dasein der Juden in Ägypten, sondern auch in weit davon entfernten Regionen. Die Genizah ist in Europa und in der islamischen Welt ein absolut Unikum.»
Dieser Schatz an jüdischen Dokumenten umfasst rund 350.000 rabbinische Papiere, Bibelmanuskripte, persönliche und geschäftliche Briefe, Rechnungen, Verträge und Heiratsurkunden aus neun Jahrhunderten. Gefunden wurden sie in der Ben Ezra-Synagoge im ägyptischen Fustat, dem alten Kairo.
Zwischen 1025 und 1875 waren Gemeindemitglieder der jüdischen Tradition gefolgt, den Namen Gottes enthaltende Gegenstände nach ihrer Verwendung sicher in einer «Genizah» aufzubewahren, einem verborgenen Ort. Diese Verstecke werden in der Regel ausgeräumt, damit ihr Inhalt begraben werden kann. Aber aus unbekannten Gründen ist dies in der Ben Ezra Synagoge nie geschehen. Die Dokumente in der Sammlung datieren bis auf das 9. Jahrhundert zurück.
Die Existenz dieser Quellensammlung war bereits im späten 18. Jahrhundert bekannt. Aber erst um 1890 setzte ein Wettrennen um die Bestände in dem zerfallenden Synagogenbau ein. Museen und Universitäten in Europa und den USA sicherten sich mehr oder weniger grosse Bestände von Dokumenten, die häufig nur noch als Fragmente existierten. Dabei gerieten eigentlich zusammengehörende Dokumente oder Teile davon in weit voneinander gelegene Sammlungen etwa im russischen St. Petersburg oder in Oxford und Cambridge.
Zu den Dokumenten gehören ein Augenzeugenbericht über Gräueltaten von Kreuzrittern in Palästina, der älteste bekannte, jüdische Ehevertrag aus dem Jahr 1119 oder ein grosses Blatt aus dem berühmten Mischnah-Kommentar von Moses Maimonides aus dessen eigener Hand, sowie eine sehr seltene Kopie der Bibel-Übersetzung des jüdischen Weisen Saadya Gaon in das Arabische aus dem frühen 10. Jahrhundert.
Dank der Zerstreuung der Genizah-Funde und der fragmentarischen Natur der meisten Dokumente stand die Forschung bislang jedoch vor schier unlösbaren Problemen bei der Analyse des Grossteils der Stücke. Hier schafft eine revolutionäre Kooperation mit den Namen «Re-Joining the Cairo Genizah» Abhilfe, bei dem die Tel Aviv University und das von dem kanadischen Hedge-Fund-Manager Albert Friedberg gestiftete «Friedberg Genizah Project» zusammen.
Die beteiligten Forscher haben bereits die gesamten Dokumente und Fragmente digital erfasst. Derzeit arbeiten hochleistungsfähige Computer an einem Abgleich der Stücke, um diese historischen Puzzle weitest möglich zusammenzusetzen. Dies würde deren Übersetzung (häufig aus dem Judäo-Arabischen) und Auswertung ermöglichen.
Derzeit läuft ein Abgleich von 157.514 Fragmenten, der am 25. Juni abgeschlossen werden soll. Die Website des Projektes gibt Auskunft über den Fortschritt dabei: http://www.cs.tau.ac.il/~itaibean/gnazim_process_stats.html. [AM]
Kategorien:Kultur

Ritualbad in Jersusalem entdeckt
Einladung zum Synagogenrundgang
Israelitischer Gemeindebund kritisiert das Kunsthaus Zürich
Antisemitismus-Fälle beim Sender Deutsche Welle
Hinterlasse einen Kommentar