Israelischer Saxophonist improvisiert mit Berliner Schulkindern


Ariel ShiboletAriel Shibolet ist als Saxophonist bekannt in der israelischen und internationalen Improvisationsszene. Im Rahmen eines Berliner Schulprojekts für musikalische Improvisation unterrichtete er nun eine 5. Klasse – und nahm mit den Teenagern eine CD auf.

„Als wir das hier gemacht hatten, waren wir in einem Team. Und durch dieses Improvisationstraining ist es einfach gestärkt geworden. Und in der anderen Klasse habe ich jetzt so einen Vorteil daran, dass ich weiss, wie man auf andere reagieren sollte sozusagen.“

Ein Mädchen aus der ehemaligen Klasse 5a der Scharmützelsee-Grundschule in Berlin berichtet von ihren Erfahrungen mit dem israelischen Musiker Ariel Shibolet. Unter seiner Anleitung improvisierten die Schülerinnen und Schüler eine Woche lang mit den verschiedensten Klanginstrumenten und nahmen schliesslich in einem Tonstudio ein CD auf. Zum CD-Release sind auch die anderen Ehemaligen der 5a ins „exploratorium berlin“ gekommen, wo sie vor zwei Jahren für die CD geprobt hatten. Aus den damals elf Jahre alten Kindern sind inzwischen 13-jährige Teenager geworden. Mit Orangensaft stossen alle auf ihr gemeinsames Werk und auf ihren Lehrer Ariel Shibolet an.

„Wie heisst das? Lechaim!“

„Es hat mir einfach so gefallen, dass er Spass daran hatte, was er gemacht hat, und er hat es uns gern beigebracht.“

„Ja, dass man erst was probieren sollte, bevor man sagt: Nein, ich will das nicht, ich kann das nicht.“

„Mit Musik kann man schon die Gefühle äussern, das habe ich dazugelernt.“

„Man muss eine Musik nicht zwanghaft nach den Noten spielen, man kann sie auch einfach im Kopf entstehen lassen.“

Der ehemalige Klassenlehrer der 5a, Klaus Emrich, bestätigt das:

„All die Dinge, die musikalisch notwendig sind – gegenseitiges Zuhören, aufeinander eingehen, respektieren, Raum lassen, Konzentration – sind ja allgemeine Fähigkeiten oder wie man das nennen will.“

Eine wichtige gesellschaftspolitische Komponente

Für Ariel Shibolet hat frei improvisierte Musik zudem noch eine wichtige gesellschaftspolitische Komponente.

„Als ich zehn Jahre alt war, lief in Israel eine Fernsehserie über den Holocaust. Was ich davon, wohl zuerst unbewusst, verstanden habe, ist, dass so etwas nur geschehen kann, wenn in einer Gesellschaft die Menschen ihre Individualität verlieren. In der Improvisation ist sie dagegen die Grundlage: Je mehr ich von meiner Persönlichkeit in einen Klang hineingebe, desto besser.“

Beim CD-Release-Treffen im „exploratorium berlin“ demonstriert er in einem kurzen Solo seine musikalische Entwicklung vom Jazz zur freien Improvisation.

Ariel Shibolet, 1972 in der Nähe von Tel Aviv geboren, nahm als Jugendlicher klassischen Cello-Unterricht, 1992 begann er, Saxophon zu spielen und frei zu improvisieren. Fast genauso lang arbeitet er als Feldenkraislehrer therapeutisch mit Kindern. Vor sechs Jahren traf er beim Total Music Meeting in Berlin den Lehrer und Hobbymusiker Klaus Emrich. Ihm erzählte er auch von dem Kinderbuch, das er geschrieben hat, und liess es für ihn ins Deutsche übersetzen. Klaus Emrich:

„Ich hab das mit den Kindern in der Schule dann auch gemacht, weil es im Grunde genommen seine Musiktheorie enthält.“

Jugendliche aus Berlin und Tel Aviv zusammenbringen

Aus diesem ersten Kontakt ist nicht nur eine Freundschaft entstanden, sondern auch Workshops mit nichtjüdischen, auch muslimischen Schulkindern. Die meisten von ihnen ohne musikalische Vorbildung. Ariel Shibolet:

„Die Kinder, die dabei hervorstachen, waren nicht die mit den guten Noten, sondern diejenigen, die sonst im Unterricht nicht still sitzen und ruhig sein konnten. Beim Improvisieren braucht es solche Impulse. Diese Kinder waren sehr kreativ. Und zu erleben, dass sie einmal die Besten in der Klasse sind, und dafür Anerkennung zu erhalten, ist für solche Kinder Gold wert. Diese Erfahrung kann dann auch in den Mathematikunterricht und in andere Fächer ausstrahlen.“

Klaus Emrich: „Das Ergebnis sieht man in dieser CD. Die ist für meine Begriffe aussergewöhnlich. Da ist kein Unterschied zu jetzt erwachsenen Improvisationskünstlern – und das ist eigentlich unglaublich.“

Für die CD hat Ariel Shibolet 19 Musikstücke ausgewählt, die er nach der Aufnahme im Studio noch tontechnisch bearbeitet hat. Als nächstes Projekt will er nun Jugendliche aus Berlin und Tel Aviv zu einem Workshop zusammenbringen. Das gemeinsame Improvisieren, ist der Musiker überzeugt, wird nicht nur die Sprachbarrieren überbrücken, sondern auch die gegenseitigen Vorurteile:

„In der Improvisation kann man für eine Weile eine ideale Gesellschaft erschaffen, in der alle die gleichen Rechte haben. Und anders als sonst im Bildungssystem bestimme nicht ich als Erwachsener, sondern die Kinder entscheiden selbst, was sie tun. Ich denke, dass sie so lernen, zu verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger zu werden.“  (Rebecca Hillauer)

Mehr zu Ariel Shibolet:

Geboren 1972 in Israel, Als Jugendlicher Cellounterricht und klassische musikalische Ausbildung, begann 1992 Saxophon zu spielen. Mitglied im Kadima Collective für improvisierte Musik und im Tel-Aviv Art Ensemble. Kurator und künstlerischer Leiter des Tel Aviv Meeting.

Regelmässige Auftritte in Israel, Europa und USA. Veröffentlichte seine erste CD-Aufnahmen bei Leo Records und seitdem ein weiteres Dutzend in Zusamenarbeit mit Musikern aus Israel und der internationalen Improvisations-Szene.
Auftritte beim Total Music Meeting in Berlin 2007 und 2008 und beim Moers-Festival 2010, ausserdem an zahlreichen anderen Orten in Europa und USA sowie auf diversen Festivals in Israel.

Unterrichtete in diversen Improvisationsprojekten in Berlin zwischen 2008 und 2012. 2008 trat seine Kindergruppe beim Total Music Meeting auf. Eine Tonaufnahme des Kinderprojektes 2012 wird 2014 bei „nurnichtnur“ als CD erscheinen.
Seine Unterrichtsmethode für improvisierte Musik publizierte er in dem Buch expressiv & explOHRativ, Musikalische Improvisation in der Schule.

Weitere Informationen unter www.arielshiboletmusic.com



Kategorien:Kultur

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