Das moralische Paradox der „Wolkensäule“


.Die Operation Wolkensäule hinterliess die Israelis zutiefst deprimiert. Es war die dritte Militäraktion in den letzten sechs Jahren und sie endete bestenfalls ergebnislos, was durch die verrückten Siegesfeiern in Gaza noch unterstrichen wurde. Benjamin Netanjahu und Ehud Barak versuchen angestrengt, das Volk zu überzeugen, dass die Operation ein Erfolg war.

Die Regierung hatte im Vorfeld der Operation drei Ziele bekanntgegeben: Israels abschreckende Wirkung wiederherzustellen, die Langstreckenraketen der Hamas zu zerstören und die Initiative wieder zu übernehmen. Nach Aussage des Verteidigungsministers Barak sind alle drei Vorhaben durchgesetzt worden. Einzig die Wiederherstellung von Israels Respektsposition in der Region konnte zum Ende der Gaza-Offensive noch nicht festgestellt werden.

Im Vergleich zu vorherigen Operationen, dem zweiten Libanonkrieg und der Operation „Gegossenes Blei“, wird deutlich, wie der Anspruch nach jeder Militäroperation weiter gesenkt wird. Ein deutliches Zeichen dafür ist die Anzahl der palästinensischen Opfer. Während der Operation „Gegossenes Blei“ wurden 1166 Palästinenser getötet, 295 von ihnen waren „nicht involviert“. Bei der Operation „Wolkensäule“ kamen 156 Palästinenser um, von denen die meisten Raketen abschossen, es planten oder anderweitig „involviert“ waren. Israelische Politiker hoffen vergeblich, dass solche chirurgischen Militäraktionen die Unterstützung der Weltgemeinschaft für Israels Recht, in Sicherheit zu leben, gewährleisten.

Die neue moralische Haltung, die sich Israel selbst aufbürdet, passt zur europäischen Kriegsethik, die in den Genfer Konventionen ihren Ausdruck fand. Kurz zusammengefasst sagt sie, dass es Konfliktparteien verboten ist, Zivilisten anzugreifen und sie ihr Möglichstes tun müssen, um zivile Opfer zu vermeiden. Sie werden auch angehalten, Verteidigungsmassnahmen zu vermeiden, die Zivilisten in Gefahr bringen können. Unnötige Angriffe auf ihre Lebensgrundlage wie Bauernhöfe, Häuser, Transport und Gesundheitseinrichtungen sind auch verboten. Länder und Individuen, die gegen diesen Code verstossen, können wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden. Der berüchtigte Goldstone-Bericht für die UNO nach der Operation „Gegossenes Blei“ tat genau dies – er stellte Israel als Kriegsverbrecher dar.

Das Problem dieser moralischen Haltung, wie schön sie auch klingen mag, ist, dass sie ausser Israel kein Land zu ernst nimmt. Der Grund: Mit solch hohen moralischen Ansprüchen kann keine Schlacht und kein Krieg gewonnen werden. Genau deshalb haben Soldaten der Multinationalen Truppe im Irak nicht gezögert, Zivilisten zu töten wenn sie annahmen, ihr Leben sei in Gefahr. England und Amerika hatten auch keine Skrupel, ganze Städte in Deutschland zu zerstören, um einen endgültigen Sieg über Deutschland zu erringen, was ihnen auch gelungen ist. Wenn die Allierten sich auch so zurückgehalten hätten, wie es Israel jetzt tut, wäre der Zweite Weltkrieg immer noch im Gange.

Deshalb ist es eine Tatsache, dass der gewalttätige Konflikt in Israel kein Ende finden kann, solange sich das jüdische Land an die Genfer Konventionen hält. Es gibt ein schreckliches Paradox in den Genfer Konventionen, das sich nur wenige eingestehen: Die Forderung, in diesem Masse zivile Opfer zu vermeiden, verlängert Konflikte, anstatt sie zu beenden. Bei einer gerechtfertigten Militäroperation, wie im Falle Israels, werden die Genfer Konventionen dadurch unethisch. Als die Amerikaner sich einschränkten und zivile Opfer um jeden Preis vermeiden wollten, mussten sie sich schliesslich aus Afghanistan zurückziehen. Zum Leidwesen einiger Leute wird sich Israel nicht aus dieser Region zurückziehen und deswegen muss es einen Weg finden, diesen Konflikt auf andere Weise nachhaltig zu beenden.

Das bringt mich zum Ergenbis dieser Analyse. Die Anpassung der israelischen Politiker an unrealistische moralische Vorgehensweisen wird ihnen von der Weltgemeinschaft aufgezwungen, die alles versucht, um Israel von einem endgültigen militärischen Sieg, der Israels Präsenz in der Region für einige Generationen etabliert, abzuhalten. Mit anderen Worten, die fehlende Sorge der internationalen Gemeinschaft um die tausenden syrischen Zivilisten beweist, dass moralische Kriterien, die einzig auf Israel angewendet werden, eine finstere Agenda verstecken, die die Existenz eines souveränen jüdischen Staates untergraben will. Der Frust der israelischen Bevölkerung über ihre Politiker, die die Hamas nicht in die Knie zwingen wollen, ist kein Zeugnis unmoralischer Menschen. Im Gegenteil zeigt es eine Gesellschaft, die nicht bereit ist, moralischen Richtlinien zu folgen, die ihren Untergang bringen können. (ih)



Kategorien:Politik, Sicherheit

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