Häftling „X2“ und die nationale Sicherheit


Ayalon Gefängnis in Ramle

Ajalon-Gefängnis bei Tel Aviv: Wer ist der Mann in Zelle 13?

Offenbar gibt es in Israel einen weiteren Geheimgefangenen. Die Affäre entfacht aufs Neue die Debatte über den Sinn von Zensur und Nachrichtensperren im 21. Jahrhundert. Angeblich ist der zweite Fall „viel sensationeller“ – und sein Vergehen viel schlimmer. Er sitzt in einer Gefängniszelle ohne Fenster. Kameras überwachen jede seiner Bewegungen rund um die Uhr, nur wenige Minuten am Tag darf er einen kleinen, hermetisch gesicherten Gefängnishof betreten. Er hat keinen Kontakt zu anderen Häftlingen, selbst seine Bewacher wissen nicht, wie er heisst und warum er hier ist. Aber seit Dienstag weiss ganz Israel, dass es ihn gibt.

Jetzt mehren sich in Israel die Hinweise darauf, dass im Hochsicherheitstrakt des Ajalon-Gefängnisses „X2“ einsitzt, ein Häftling, dessen Existenz bis zum Wochenbeginn nicht bekannt war. Im Anhang des Protokolls einer Anhörung zum offiziellen Untersuchungsbericht über die Umstände des Todes des 34 Jahre alten gebürtigen Australiers Ben Zygier taucht der Hinweis auf einen weiteren Sicherheitsgefangenen im Block 13 des Ajalon-Gefängnisses auf. Zygier sass in Block 15. Mehr Einzelheiten gibt der von den Behörden freigegebene Bericht nicht preis.

Wo ist er? Wer ist er? Und was hat er getan? Lauter grelle Fragezeichen umranken in Israel den neuen Fall eines Gefangenen, der verborgen vor der Öffentlichkeit in einer Hochsicherheitszelle des Ajalon-Gefängnisses von Ramla eingesessen hat. Und nun droht eine Neuauflage mit dem einzigen Unterschied, dass Eingeweihten zufolge alles noch viel schlimmer und dramatischer sein soll.

„Aus erster Hand“, so sagte er in einem Radio-Interview, wisse er von der „Existenz von mindestens einem weiteren geheimen Gefangenen“. Auch der sei israelischer Staatsbürger, auch der habe in einer „Einrichtung mit sicherheitspolitischen Geheimaufgaben“ gearbeitet.

Der israelische Anwalt Avigdor Feldman, der schon Zygier vertreten hatte, sagte in einem Rundfunkinterview, er wisse, dass es einen „Häftling X2“ gebe, der im Ajalon-Gefängnis wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit in Einzelhaft sitze. Die gegen diesen israelischen Staatsbürger erhobenen Vorwürfe bezeichnete Feldman als „viel schlimmer, viel sensationeller“ als die Anschuldigungen gegen Zygier. Einzelheiten nannte aber auch er nicht. Als Sicherheitsvergehen gelten im israelischen Strafrecht Spionage, Kontakt zu ausländischen Agenten und Hochverrat.

Die zweite Gefangenen-Affäre entfachte in Israel aufs Neue die alte Debatte über den Sinn von Zensur und Nachrichtensperren im 21. Jahrhundert. Im Zeitalter von Enthüllungsforen wie Wikileaks und Geheimdienstinformanten wie dem Amerikaner Edward Snowden halte der israelische Sicherheits- und Justizapparat immer noch an seinem Irrglauben fest, „den Informationsfluss kontrollieren zu können“, schrieb der Geheimdienstexperte Jossi Melman in der Zeitung „Jerusalem Post“. Nicht nur Melman fragt sich, ob es noch weitere Gefangene gibt, von deren Existenz die Öffentlichkeit bis heute nichts weiss.

Israel rätselt, was da noch alles nach oben gespült werden könnte. Die linke Meretz-Opposition hat den neuen Fall gleich ins Parlament getragen und den Minister für Öffentliche Sicherheit, Jitzchak Aharonowitsch, der Lüge bezichtigt, weil er im Frühjahr versichert hatte, dass es keine weiteren geheimen Gefangenen in Israel gebe.

Eine Abgeordnete sieht das Land schon „auf der Überholspur in Richtung eines Polizeistaats“. Schliesslich hat auch noch Avigdor Lieberman eingegriffen, der frühere Aussenminister und aktuelle Chef des Aussen- und Verteidigungsausschusses. Er versicherte, dass der Staat sich auch hier an die Gesetze halte. Zugleich goss er Öl ins Feuer mit der Aussage, dass es sich aktuell allerdings um einen besonders schweren Fall handele.

„Als israelischer Bürger war ich geschockt, als ich von dem Fall erfuhr“, sagte Rechtsanwalt Avigdor Feldman, der Zygier während seiner Gefangenschaft juristisch vertrat, in einem Radiointerview.

Zum persönlichen Schicksal des „Gefangenen X2“ meldete sich nur die Anwältin Rahela Arel zu Wort, die von der Regierung als offizielle Kontrolleurin des israelischen Gefängniswesens eingesetzt worden war. In den Isolationszellen würden die Häftlinge „lebendig begraben“, sagte sie dem Internetportal ynet und fügte an: „Die Uhr tickt für Israels Demokratie und für das Leben dieses Mannes.“

Doch die Regierung zeigt daran bislang wenig Interesse aber kritisierte die Bekanntmachung des Falls. Der Minister für öffentliche Sicherheit, Jitzchak Aharonowitsch, stellte hierzu klar: „Es gibt keine verschwundenen Gefangenen in Israel, deren Familien nichts über ihre Inhaftierung wissen.“ Nur weil die Öffentlichkeit zum Schutz der israelischen Sicherheit nicht von den Häftlingen wisse, bedeute dies nicht, dass die juristischen Instanzen ebenso aussen vor seien. (JNS und Agenturen)



Kategorien:Sicherheit

Schlagwörter:, , ,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..