Differenzen zwischen Israel und Deutschland nehmen zu


Merkel_netanjahuOffiziell ist kein Porzellan zerbrochen. An der Seite Benjamin Netanjahus zitierte die Bundeskanzlerin erneut ihre Interpretation deutscher Staatsräson. Der Gast aus Israel dankte ihr und betonte, nicht den geringsten Zweifel am deutschen Bekenntnis zur Sicherheit des jüdischen Staats zu hegen.

Darüber hinaus gibt es politische Differenzen, die nicht mal eben so für Pressekonferenzen durch diplomatische Wortwahl weichgespült werden können. Die unterschiedliche Bewertung der israelischen Siedlungspolitik gehört dazu. „We agree to disagree.“ Eine hilflose, gleichwohl ehrliche Floskel, die den Zustand beschreibt und doch nicht weiterhilft.

Wir wissen nicht, wie deutlich Angela Merkel im Zwiegespräch mit Netanjahu geworden ist. Doch man darf getrost annehmen, dass Tacheles geredet wurde. Denn es zeigt sich: Die in ihrer Wortwahl bisher beispiellose Solidarisierung dieser Bundesregierung mit Israel schafft politische Spielräume. Sicher, mit der deutschen Enthaltung in New York wurden israelische Wünsche enttäuscht. Doch die unmittelbare Reaktion Netanjahus, eine Genehmigung von Siedlungsprojekten an neuralgischen Punkten, gibt denjenigen Recht, die Israel in der UN-Vollversammlung die gelbe Karte gezeigt haben. Ja, die Bundeskanzlerin erklärte heute in Gegenwart Netanjahus sogar, warum man die Palästinenser mit einem Ja nicht noch stärker unterstützt hat.

Die letzten Tage haben gezeigt: Es wird einsam um Israel, auch in Europa. Ohne Glaubwürdigkeit zu verlieren, kann die Bundesregierung in ihren Warnungen hinter verschlossener Tür weiter gehen als andere, denn sie ist einer Parteinahme zulasten israelischer Sicherheit völlig unverdächtig. Ob Angela Merkel in der Sache weiterkommt, ist mehr als fraglich. Selbst die Amerikaner haben es nicht geschafft, Benjamin Netanjahu vom Holzweg des Siedlungsbaus hin zu immer stärkerer Selbstisolierung abzubringen. Wie die amtierende israelische Regierung durch diese Politik langfristig einen demokratischen und gleichzeitig jüdischen Staat schaffen will, bleibt ein Rätsel. Die Aussichten auf eine Verhandlungslösung sind momentan schlichtweg deprimierend. Das liegt nicht nur an Israel, doch darum geht es heute nicht.

Wir können doch nur eine Einschätzung geben, Israel ist ein souveräner Staat, hat Angela Merkel heute zu Handlungsoptionen gesagt. So klingt resigniertes Achselzucken. Keine Gleichgültigkeit, wohlgemerkt. Der Dissens ist offenkundig. Das Schlimme ist: Deutschland kann damit leben. Israel auf Dauer wohl nicht. Aus Sicht deutscher Staatsräson à la Merkel ein Grund zur Verzweiflung.

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Israelischer U-Boot der Dolphin-Klasse / Foto: shlomiliss; Lizenz: CC BY 3.0

 

Fast unbemerkt ist Deutschland im November möglicherweise auf Konfrontationskurs zu Israel gegangen. Wie aus einer Veröffentlichung der Vereinten Nationen indirekt hervorgeht, stimmte Berlin wohl einer Entschliessung zu, die von Jerusalem den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag und die Öffnung seiner Nuklearanlagen für Inspektoren forderte. Obgleich die Wirkung der Entschliessung gleich Null sein dürfte, ist das wahrscheinliche Abstimmungsverhalten Deutschland eine kleine Sensation. Auffallend ist, dass die Nachricht bisher komplett unter den Tisch gefallen war.

In dem Entschliessungssentwurf vom 19. November „Die Risiken der nuklearen Weiterverbreitung im Mittleren Osten“ geht es auch um Israel, das bislang nicht dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist. In dem Papier wird wird nun der Beitritt Israels zum Vertrag und die Offenlegung seiner Atomeinrichtungen verlangt.

„Bekräftigt die Bedeutung des Beitritts Israels zum Vertrag über die Nichtverbreitung von nuklearen Waffen und Platzierung seiner Nukleareinrichtungen unter umfassenden Garantien für die Beobachter der Internationalen Atomenergiebehörde in Realisierung des Ziels der universellen Einhaltung des Vertrags im Nahen Osten“.

Damit wird Jerusalem unmissverständlich aufgefordert, sei bislang grösstes offenes Geheimnis zu lüften. Zwar gibt s keinen Zweifel an der Existenz einer israelische Nuklearstreitmacht. Doch Einzelheiten sind nicht bekannt.

Israel lehnte die Entschliessung ab. Nach Angaben der Vereinten Nationen zweifelte Israel am Motiv der Antragsteller. Zugleich erklärten die Vertreter Jerusalems bei der UNO, das Land weise immer wieder auf das Risiko der Nuklearwaffenverbreitung in der Region hin. Tatsächlich fanden vier von fünf entsprechenden Verstössen im Nahen Osten statt, ein weiterer in Nordkorea. Diese Fälle hätten die Sicherheit Israels in Frage gestellt.

174 Staaten stimmten dieser Resolution zu. Sechs waren dagegen – Kanada, Mikronesien, Israel, die Marshallinseln, Palau und die USA. Sechs weitere Staaten waren nicht anwesend: Australien, Kamerun, Elfenbeinküste, Äthiopien, Indien und Panama.

In der Konsequenz heisst dies: Deutschland votierte für die Vorlage. Bedeutsam ist dies nicht nur, weil die militärische Sicherheit Israels für die Bundesrepublik immer an höchsten Stellenwert hatte; Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Sicherheit des jüdischen Staates vor der Knesset einen Teil der Staatsräson Deutschlands. Zudem stammen nicht wenige Waffen der israelischen Armee aus Deutschland – etwa aktuell sechs U-Boote der Dolphin-Klasse, mit denen Israel eine nukleare Zweitschlagsfähigkeit erhalten dürfte. Teilweise wurden diese Waffen auch von der Bundesregierung bezahlt; bei den U-Booten will Berlin nach Medienberichten mit bis zu 135 Millionen Euro zuzahlen.

Auffallend ist zudem, dass die Abstimmung in den deutschen Medien bislang keinerlei Widerhall fand. Auch beim Auswärtigen Amt scheint man es bislang nicht für nötig gehalten zu haben, die Öffentlichkeit darüber zu informieren.



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1 Antwort

  1. Israels Besitz von Nuklearwaffen und der daraus entstandene Konflikt sind weltbekannt. Schade nur, dass sich wenige Bürger mit dem eigentlichen Land auseinandersetzen. Wer einen Einblick in die Kultur und das Leben Israels erhalten will, kann viele Fotos und Texte in der MERIAN-Ausgabe „Israel“ finden. http://shop.merian.de/Produkte/MERIAN/MERIAN-Magazine/MERIAN-Israel—ME1000-ME1100-p400000030.html

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