Israelis mit Wahlkampf Müdigkeit


In einer knappen Woche, am 1. November, wird in Israel erneut das Parlament frisch gewählt. Man könnte meinen, dass so kurz vor den Wahlen der Wahlkampf tobt. Doch offenbar sind die Israelis der zahlreichen Wahlen in kurzer Zeit müde geworden und auch die Parteien scheinen keinen Sinn mehr darin zu sehen, viel Geld für Wahlwerbung auszugeben.

Wahlplakate, wie hier in Tel Aviv für Avigdor Lieberman und Benny Gantz, sind derzeit selten zu sehen

Der Wahlkampf in Israel ist in vollem Gange. Etwas mehr als eine Woche noch, und die Bürger geben wieder ihre Stimme für ein neues Parlament ab. Zum fünften Mal in weniger als vier Jahren. Währenddessen wächst die Sorge vor einem US-Szenario in Israel.

WAHLERGEBNISSE 

2020 hatte sich US-Präsident Donald Trump geweigert, das Ergebnis der Wahlen anzuerkennen, das eindeutig den Demokraten Joe Biden als Gewinner zeigte. Am Wochenbeginn äusserte sich Premierminister Yair Lapid von der Zentrumspartei Jesch Atid besorgt darüber, dass in Israel ähnliches geschehen könnte und der derzeitige Oppositionsführer Benjamin Netanjahu vom Likud die Wahlergebnisse vom 1. November »anzweifeln« könnte.

Er sei sicher, hob Lapid hervor, dass der rechts-religiöse Block von Netanjahu keine Mehrheit erreichen werde. Die meisten Umfragen zeigen neun Tage vor der Wahl, dass die beiden Blöcke in einer Pattsituation bleiben, wie es bereits bei den vergangenen vier Wahlen geschehen war. Israel ist ein politisch zutiefst gespaltenes Land. Genau darin sieht Lapid eine Gefahr.

»Wenn Netanjahu nicht gewinnt, könnte er versuchen, die Legitimität der Wahlen in Frage zu stellen.«

Premierminister yair Lapid

»Wenn Netanjahu nicht gewinnt«, erläuterte er, »könnte er versuchen, die Legitimität der Wahlen in Frage zu stellen«. Angeblich hätten Aktivisten des Likud bereits begonnen, Petitionen an den Wahlausschuss zu senden.

Dabei ist der Chef von Jesch Atid gar nicht gegen eine Koalition mit rechten oder religiösen Parteien. Er meint sogar, dass das beste Ergebnis eine Regierung der nationalen Einheit wäre, die von seiner Partei und dem Likud geführt wird, eine Art »grosse Koalition«. Allerdings schloss er die Zusammenarbeit mit Netanjahu persönlich aus. »Man kann nicht mit ihm zusammensitzen. Er ist ein Mann, gegen den drei schwere Anklagen erhoben wurden. Er muss seinen Prozess beenden.«

WERTE 

»Hier geht es um unsere Werte. Menschen, gegen die schwere strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden, sollten keine leitenden Positionen im Staat Israel einnehmen. Es verzerrt ihr gesamtes System von Überlegungen völlig, ist gefährlich und grösstenteils unethisch. Ich werde nicht mit Netanjahu in derselben Regierung sitzen.«

Netanjahu, dem am längsten amtierende Premierminister in der Geschichte Israels, wird derzeit der Prozess wegen Korruption gemacht. Er bestreitet jegliches Fehlverhalten und sagt, die Vorwürfe des Betrugs, der Untreue und der Bestechung seien politisch motiviert.

In dem Interview liess Lapid offen, wie genau er eine regierungsfähige Koalition bilden wolle. Er bestätigte zwar, dass er das überwiegend arabische und antizionistische Bündnis Chadasch-Taal nicht in eine Regierung nehmen wolle, schloss jedoch nicht aus, dass es ihn im Falle einer Minderheitenregierung von aussen unterstützen könne. Mit den ultraorthodoxen Parteien indes würde er gegebenenfalls zusammenarbeiten, falls sie »Religionsfreiheit sowie die Freiheit von Religion akzeptieren«.

»Sie werden sehen, dass der Likud letztendlich mit den Arabern zusammensitzen wird.«

Bürgermeister von Nazareth, Ali Salem

Von dem rechtsextremen Itamar Ben-Gvir, Vorsitzender der nationalistischen Partei Otzma Yehudit, wolle er sich aber kategorisch fernhalten. »Ben-Gvir ist eine andere Welt. Für Ben-Gvir zu stimmen bedeutet, gegen die Armee zu stimmen und für Menschen, die das 202. Bataillon und unsere Soldaten schlagen«, sagte Lapid in Bezug auf einen Angriff von Siedlern auf Soldaten in der Nähe der Stadt Nablus vor einigen Tagen.

Währenddessen bereite Netanjahu angeblich vor, nach den Wahlen möglicherweise mit der islamistischen Ra’am-Partei zusammenzuarbeiten. Das behauptet zumindest der Bürgermeister der vornehmlich arabischen Stadt Nazareth, Ali Salem. Er sagte im Fernsehkanal zwölf, dass der Oppositionsführer mit arabisch-israelischen Persönlichkeiten in Kontakt gestanden habe.

»Sie werden sehen, dass der Likud letztendlich mit den Arabern zusammensitzen wird. Ich habe kürzlich mit Netanjahu gesprochen. Wenn es sein muss, tut er sich mit uns zusammen.«

TERRORISMUS 

Ra’am, die ein Teil der derzeitigen Regierung in Jerusalem ist, wurde von Netanjahus Likud und verbündeten Parteien immer wieder als »Terrorunterstützer« bezeichnet. Parteichef Mansour Abbas aber hat Terrorismus bei mehreren Gelegenheiten scharf kritisiert und abgelehnt.

Wie für Netanjahus rechts-religiösen Block, so scheint es derzeit allerdings auch für Lapids Mitte-Links-Block schwer bis unmöglich, eine regierungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen. Vor allem, weil seine Koalitionspartner Avoda, Meretz und Ra’am allesamt unter die Eintrittshürde in die Knesset von 3,25 Prozent fallen könnten. Damit sagen die Prognosen voraus, dass auch bei der fünften Wahl alles so bleibt wie zuvor – gänzlich gespalten.

 Sabine Brandes / Jüdische Allgemeine



Kategorien:Politik

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