Offshore-Naturgas fliesst und die Karten in Nahost werden neu gemischt


tamarNahöstliche Energie-Landkarte könnte sich langfristig von Grund auf ändern.

Die Bohrinsel Tamar vor der Küste Israels lieferte am Wochenende jene Schlagzeile, auf welche die israelischen Investoren und Konsumenten seit Jahren gewartet haben: Das von der Insel fliessende Naturgas wird die israelische Energie-Abhängigkeit nach und nach ändern und langfristig die Kassen des Landes und der Investoren mit lange ersehnten Geldern füllen. Zwar sind momentan weder die Land-Pipeline noch die israelischen Hersteller auf eine totale Umstellung auf Naturgas eingerichtet, doch der preisgünstige und relativ saubere, vollumfänglich in territorialen Gewässern Israels und in dessen ausschliesslicher Wirtschaftszone liegende Energieträger sind dazu angetan, auf lange Zeit hinaus einen echten Beitrag an die Wirtschaft des Landes zu liefern, der weit über die ökonomischen und Umwelt-Aspekte hinausgeht.

Naturgas ist, wie «Haaretz» online in der Nacht auf den Sonntag schrieb, ein politisches Instrument. Für Israel wurde dies vor einigen Monaten empfindlich klar, als die in Kairo an die Macht gelangte Muslimische Bruderschaft den Gas-Liefervertrag zwischen Israel und Ägypten aufkündigte. Bis dahin hatte der jüdische Staat nicht weniger als 40 Prozent seines Bedarfs an Naturgas zu extrem günstigen, noch mit ex-Präsident Mubarak ausgehandelten Konditionen abdecken können. Zahlreiche Attentate auf die Gas-Pipeline im Sinai haben die Quelle für Israel und auch für Jordanien zu einer höchst unsicheren Sache gemacht. Jordanien beispielsweise hat allein in den letzten zwei Jahren wegen des unzuverlässigen Gasflusses aus Ägypten 5,6 Milliarden Dollar verloren. Rund 80 Prozent der jordanischen Elektrizitätsproduktion haben von diesem Gas abgehängt. Die Auswirkungen der anlaufenden Produktion der Bohrinsel Tamar könnten aber noch viel weiterreichend sein. So plant die Palästinensische Behörde ein Kraftwerk in Jenin in der Westbank, das ausschliesslich mit Naturgas von «Tamar» betrieben werden soll, und Zypern hofft, mit israelischem Gas eine Drehstelle für die regionale Ölbohrindustrie zu werden, um europäische Markte anzuziehen und seine eigene gefährdete Wirtschaft zu konsolidieren. Damit aber nicht genug: Die Türkei ist am israelischen Gas interessiert, das es als wirtschaftliches Druckmittel gegen die immer noch das Regime Assad unterstützenden Russen einsetzen könnte. «Über Nacht», so schreibt Haaretz, «hat Israel die Gelegenheit erhalten, die Landkarte der Allianzen im Nahen Osten nach seinem Willen zu gestalten.» Der Haken an der Sache sei, dass die Gasvorkommen, die für Israel von nationaler strategischer und politischer Wichtigkeit sind, sich in den Händen privater Geschäftsleute befinden. Ohne eine Kombination der staatlichen geopolitischen Ambitionen mit den auf der Hand liegenden geschäftlichen Privat-Interessen wird letztlich der israelische Konsument den Preis zahlen müssen. Das kann so weit gehen, dass die israelische Regierung darüber zu befinden haben wird, den Export von Naturgas zu gestatten, der einerseits für die Besitzer eine extrem profitable Angelegenheit sei wird, andererseits das Gas auf Generationen hinaus für die Israeli zu einem knappen und damit teuren Gut machen wird.

Zunächst aber freut ganz Israel sich auf die zu erwartende Senkung der Energiekosten um rund 13 Milliarden Schekel pro Jahr und auf das Ende der Abhängigkeit vom ägyptischen Naturgas und von den Beduinen des Sinais, die aus engstirnigen Geschäftsüberlegungen heraus den Herrschern in Kairo einen empfindlichen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Dem nahöstlichen Energiemarkt stehen interessante, aber auch turbulente Zeiten bevor.



Kategorien:Politik, Wirtschaft

Schlagwörter:, ,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..