Kuhhandel um Strassennamen


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Yeshayahu Leibowitz (1903 – 1994)
ישעיהו ליבוביץ‎

Letzte Woche hat die Stadtverwaltung von Jerusalem nach langem Hin und Her beschlossen, den weltberühmten jüdischen Denker Yeshayahu Leibowitz durch einen Strassennamen zu ehren. Aus rechten und religiösen Kreisen hatte es starken Widerstand gegeben.

Leibowitz war ein scharfsinniger Querdenker, der gerne provozierte. Er wurde bewundert und attackiert für seine kontroversen Ansichten in Bezug auf die Halacha, die jüdische Rechtslehre. Er war Zionist, lehnte aber jede Art von Nationalismus ab. Leibowitz war orthodoxer Jude, jedoch vehement davon überzeugt, dass Staat und Religion strikt getrennt werden müssten, damit sie einander nicht korrumpierten. Nach der israelischen Eroberung des Westjordanlandes 1967 brachte er viele Mitbürger gegen sich auf. Er warnte davor, dass die Herrschaft über eine fremde Bevölkerung zum Niedergang der israelischen Demokratie führen und das Land moralisch korrumpieren würde. Während des Libanon-Krieges 1982 schockierte er die Öffentlichkeit, indem er die israelische Armee mit Nazis verglich. Dennoch wird er wegen seines breiten Werkes als origineller Denker geschätzt. Und für manche Gegner der Besetzung wurde er zu einer Art Prophet.

Leibowitz‘ Werk ist primär religiösen wie rechten Politikern und Befürwortern der Siedlungspolitik ein Dorn im Auge. Dass sich der Beschluss zu seiner Ehrung am Ende doch durchsetzte, war offenbar einem Kuhhandel zu verdanken. Denn zugleich wurde die Ehrung des amerikanischen Milliardärs Sheldon Adelson beschlossen. Adelson unterstützt in Amerika die Republikaner mit Wahlkampfspenden und Israels Rechte, indem er die Ministerpräsident Netanyahu nahestehende und inzwischen meistgelesene Gratiszeitung «Israel Hayom» herausgibt. Während die Ultraorthodoxen am Ende gegen die Ehrung von Leibowitz stimmten, enthielten sich die meisten rechten Politiker der Stimme. Dass ultraorthodoxe Politiker mit einem Hang zu theokratischen Ansichten Leibowitz gewissermassen zensieren wollten, gibt ihm im Grunde Recht in seiner laizistischen Überzeugung. (Monika Bolliger, Jerusalem)



Kategorien:Gesellschaft

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