König David sprach einst zu Gott: „Deine Pfade lehre mich“ (Psalm 25, Vers 4)
Thora-Parascha
Schabbat „Pinchas – Pinhas“
Wochenabschnitt: 4. Mose 25,10 bis 30,1
Haftara-Prophetenlesung: Jeremia 1,1-2,3
Pinchas – Psalm 50
Erinnerung und ErmahnungIm Wochenabschnitt Pinchas werden einige Männer erwähnt, die bestraft worden sind, weil sie einen falschen Weg eingeschlagen haben. „Und die Söhne Eliabs! Nemuel, Datan und Abiram, das ist Datan und Abiram, Berufene zur Versammlung, welche gegen Mosche und Aharon haderten in dem Anhange Korachs, als sie gegen Gott haderten; da tat die Erde auf ihren Mund und verschlang sie, und den Korach, als der Anhang umkam, als das Feuer die 250 Männer verzehrte; und sie wurden zum Warnungszeichen“ (Bamidbar 26, 9 und 10). Raschi erläutert: „Warnungszeichen: zur Erinnerung, dass kein Unberufener sich nahe, die Priesterwürde streitig zu machen.“
An die Verirrung von Nadab und Abihu (Wajikra 10, 1 und 2 sowie Bamidbar 3, 4) wird ein weiteres Mal erinnert: „Aber Nadab und Abihu starben, als sie fremdes Feuer vor Gott nahe brachten“ (Bamidbar 26, 61). Ihre Bestrafung lehrt jeden Priester, dass er im Heiligtum nicht experimentieren darf; „fremdes Feuer“ verfälscht den Auftrag (siehe dazu meine „Tora-Worte“, S. 15).
Im zugeordneten Psalm 50 geht es ebenfalls um Verkehrtes im religiösen Leben: „Aber zum Verruchten sagt Gott: „Was schwatzest du von meiner Lehre; führst meinen Bund in deinem Munde? So du doch hassest alle Zucht; wirfst meine Worte hinter dich. Ersiehst du einen Dieb, du bist sein Freund; und Ehebrecher sind dein Umgang. Lässest deinen Mund zum Bösen aus; deine Zunge schmiedet Arglist; sitzest da, verleumdest deinen Bruder; heftest deiner Mutter Sohne Schandfleck an“ (Verse 16 — 20).
Die Auflistung der im Psalm genannten Sünden soll diejenigen, die gänzlich falsch gelebt haben, zu einer aufrichtigen Umkehr bewegen. Seine ernste Mahnung beendet der Psalmist mit einer Erinnerung an eine harte Bestrafung, die durch Gott kommen wird: „Begreift dies doch, Gottes-Vergesser, sonst zerreisse ich, und da ist kein Retter“ (Vers 22). Der Ausdruck „da ist kein Retter“ kommt schon in der Tora vor (siehe Dewarim 32, 39 und Raschi). (Von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)
Sidra pinchas
521 Jahre später
Der dritte Teil von Sidra Pinchas ist auf den ersten Blick wenig aufregend. Wir bekommen eine Liste mit Tagen, an denen während der Tempelzeit ausser dem täglichen Opfer zusätzliche Opfer gebracht werden müssen. Diese eingefügten Opfertage sind: Schabat, Rosch Chodesch, sieben Tage Pessach, Schawu’ot, Rosch Haschana, Jom Kipur, sieben Tage Sukot und Schmini Azeret. Die Zusammenstellung der Opfer ist aber unterschiedlich gemäss den Feiertagen, die sich voneinander unterscheiden in Charakter, Inhalt, Herkunft und Zweck.
Letzte Woche war ich in der Eigenschaft als Präsident des Europäischen Bet Din [1] in Barcelona. In zwei Tagen haben zwei Kollegen und ich ein Bet Din für 20 Erwachsene zwischen 18 und 66 und vier Kinder gehalten. Die grosse Mehrzahl der Gruppe erzählte uns eine übereinstimmende Geschichte, nämlich, dass sie immer gewusst haben, Nachwuchs der ‚Bene Anussim‘ – von der Inquisition zur Konversion gezwungene Juden – zu sein. Die meisten belegten das mit Erinnerungen aus ihrer Kindheit über ‚komische‘ Gebräuche, wie das Anzünden von Kerzen am Freitagabend als Freude für die Engel, oder, im Frühling eine Woche kein Brot essen, während Mazes aber unbekannt waren, oder ein Kreuz schräg an den Türposten hängen, was Katholiken normalerweise nicht machen. Die Traditionen der Feiertage und Bräuche sind, wie unterschiedlich sie auch in Charakter, Inhalt, Herkunft und Zweck sind, unverwüstlich. Manche belegten ihren Hintergrund mit ihrem Familien Namen. Im Allgemeinen weiss man in Spanien, wer ein ‚Konversos‘ ist. Ein Mann mit melancholischen traurigen Augen erzählte, wie er – nicht wissend warum – in der Schule immer ‚Marano‘[2] genannt wurde. Fünf Jahrhunderte nach der im Jahr 1492 den Juden gegebenen Wahl, sich konvertieren zu lassen, Spanien zu verlassen oder umgebracht zu werden, brennt die jüdische Flamme noch immer und ist die Kette nicht gebrochen. 15 Mal hörten wir fast die gleiche Geschichte, es langweilte uns nicht, im Gegenteil, ich kann sie noch tausend Mal hören und jedes Mal aufs Neue gerührt sein.
Es ist heutzutage in Spanien möglich, ein jüdisches Leben zu leben, obschon dies durchaus nicht immer leicht ist. Der Staat und die spanische Bevölkerung sind stark anti-jüdisch und anti-Israelisch geprägt. Wer sich in Spanien öffentlich als jüdisch manifestiert, bekommt früher oder später mit Antisemitismus zu tun. Umso überraschender ist es, zu sehen, mit welcher innerlichen Glut diese ‚Bene Anussim‘ zum Judentum zurückkehren und sich danach ‚Retornos‘ (Zurückgekehrte) nennen. Es zeigt sich, dass weder die Inquisition noch Hitler imstande sind, das Jüdische zu vernichten. Über 500 Jahre im Untergrund jüdisch, kehren sie zu uns zurück. Sie sind eine Bereicherung für das jüdische Volk. Als ich in 1977 für ein internationales jüdisches Jugendseminar in Spanien war, erzählte man uns, dass es ca. 6000 Juden in Spanien gibt. Heute sind die Schätzungen, dass es um die 20.000 sind. Es seien aber Hunderttausende ‚Bene Anussim‘. Aus einem um dem anderen Mund zu hören, wie die Brücke zwischen 1492 und heute geschlagen ist, gibt mir Kraft und Inspiration. Ich erfahre es als grosses Glück und eine grosse Ehre diese tapferen, vor 521 Jahren aus dem Judentum Verstossenen, mit offenen Armen aufnehmen zu dürfen und willkommen zu heissen.
Ich möchte dem EWIGEN danken dafür, dass er uns (und sie) am Leben erhalten, uns Dasein gegeben und uns diese Zeit erreichen lassen hat. Schehechejanu wekijemanu wehigi’anu laseman hase!
Schabat Schalom
Rabbiner Reuven Bar Ephraim, JLG Zürich
[1] Die liberalen, progressiven und reform Gemeinden Europas, sind vereinigt in der European Union for Progressive Judaism. Diese Union hat schon vor Jahrzehnten ein Bet Din (rabbinisches Gericht) gegründet, um den Europäischen Gemeinden beizustehen, die kein eigenes Rabbinat haben.
[2] Schwein, Schmutziger, Verdammter. Andere sagen, dass es von dem Aramäischen ‚maran atha‘ kommt, was ‚der Herr ist gekommen/wird kommen‘, bedeutet und in der christlichen Bibel auf Jesus deutet.
Kategorien:Gesellschaft
Europa ist antisemitisch. Eine Studie belegt es. Wieder einmal.
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