OVADIA YOSEF 1920-2013, Israel trauert


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Im Alter von vier Jahren kam Ovadia (Abdullah) Yosef 1924 mit seiner Familie von Bagdad ins damalige nach Palästina, wo er bis zu seinem Hinschied am Montagnachmittag lebte und wirkte. Obwohl der Verstorbene sich schon in jungen Jahren eigentlich am Gewinnen des Lebensunterhalts für die Familie beteiligen sollte, erkannten Rabbiner und Freunde der Familie Yosef rasch die Fähigkeiten des Jünglings, sich auf das Studiums der Torahwissenschaften zu konzentrieren und befreiten ihn deshalb von der materiellen Arbeit. Das hatte zur Folge, dass Ovadia Yosef sich schon bald zu einer Koryphäe im Bereiche der Torah und des Talmuds entwickelte, der schon mit knapp zehn Jahren sein erstes Buch veröffentlichte. Dutzende weitere sollten in den anschliesenden acht Jahrzehnten folgen.

Die israelischen Medien sprechen von der grössten Beerdigung in der Geschichte Israels. Laut Polizeichef sind 10 Prozent der Bevölkerung aus allen Teilen des Landes zur Beisetzung des am Montag verstorbenen Rabbis Ovadia Yosef gekommen, das sind ungefähr 800.000 Menschen. Andere Berichte gehen sogar von bis zu einer Million Menschen aus, darunter nicht nur streng orthodoxe Juden, sondern Religiöse aus unterschiedlichen Strömungen des Judentums.

Die Beerdigung begann um 6 Uhr Abends, mit einem Trauerzug (mehr Bilder weiter unten), der die Strassen der Hauptstadt füllte. 4000 Polizisten wurden in und um Jerusalem eingesetzt, um Sicherheit und Ordnung zu gewähren, sieben mobile Ärzteteams und 70 Krankenwagen waren im Einsatz, hunderte von Leuten verloren im Gedränge ihre Schuhe, 300 Menschen mussten ärztlich behandelt werden. Sogar ein Baby soll Medienberichten zufolge auf der Trauerfeier geboren worden sein.

Der Rabbi wurde um 11 Uhr abends auf dem Jerusalemer Sanhedria Friedhof neben seiner 1994 verstorbenen Frau Margalit beigesetzt.

Der letzte der israelischen Polit-Prominenz, die sich von Ovadia Yosef noch am Morgen verabschiedet hatte, war Staatspräsident Shimon Peres, der nach kurzer Zeit das Krankenhaus sichtlich erschüttert verliess. Regierungschef Binyamin Netanyahu brachte zuerst in einer Kondolenzbotschaft seine tiefe Trauer über den Hinschied des populären Rabbiners zum Ausdruck, der neben seinem immensen Thora-Wissen auch nicht weniger immensen Einfluss auf die israelische Politik auszuüben pflegte, war sein Wunsch etwa bei Knessetwahlen doch Befehl für seine Gefolgschaft in- und ausserhalb der Partei. Anschliessend nahmen Netanyahu, Shimon Peres und der Jerusalemer Bürgermeister am Beginn der Beerdigungszeremonien in der Jerusalemer Abdankungshalle Shamgar teil, wo Nekrologe verlesen wurden. Netanyahu hielt dem verstorbenen Rabbiner zugute, dass er oft Wege beschritt, die andere, noch so grosse Persönlichkeiten nicht zu beschreiten wagten.

Neben den bereits genannten Funktionen war Rabbi Ovadia Yosef Träger des Israel-Preises, Präsident des Rats der Torahweisen der Shas-Partei, und einer der bekanntesten Interpreten des religiösen Gesetzes der letzten Generationen. Er war der von hunderttausenden Menschen orientalischen Ursprungs in Israel und der ganzen Welt verehrte geistige Führer. Entsprechend schwierig wird die Nachfolge an der ideologischen Spitze von Shas sein, und bei aller Trauer und allen Emotionen regen sich bereits jetzt die ersten Geister der zu erwartenden Diadochenkämpfe. Ovadia Yosef war neben vielem anderen das Symbol für eine kulturelle Renaissance der sefardischen Kultur, die sich auf die Hinterlassenschaft der sefardischen Halacha, der sefardischen Gesetzesauslegung konzentrierte.

Ovadia Yosef war ein scharfer Denker. Das führte dazu, dass er nicht selten mit seinen provokativen Ausführungen bei Andersdenkenden, vor allem im Kreise des nicht-sefardischen Judentums aneckte. Seine Kritik an anti- oder auch areligiösen Juden war oft nicht weniger beissend wie die vernichtenden Worte, die er mitunter für extreme Araberkreise übrig hatte. Dessen ungeachtet demonstrierte Ovadia Yosef oft eine kluge politische Weitsicht, etwa als er seine grundlegenden Ansichten verbreitete, die Erhaltung jüdischen Lebens sei wichtiger als das Festhalten als Gebieten. Von dieser Maxime, die vor allem unter der politischen Mitte Israels und links von ihr Anhänger fand, rückte er in den letzten Jahren angesichts des in immer weitere Ferne rückenden Friedens zwischen Israeli und Palästinensern allerdings zusehends ab, doch galt Rabbi Ovada Yosef bis zum Ende seines Lebens bei all seinem unbeirrten Festhalten an Israel als dem geistigen und praktischen Erbe des jüdischen Volkes als ein Mann des Kompromisses und der Koexistenz. Das stellte er auch mit seinen Entscheidungen unter Beweis, dass die aus Äthiopien eingewanderten Menschen Juden seien, oder damit, dass er Frauen, deren Gatten vom Jom-Kippur-Krieg nicht nach Hause zurückkehrten, wieder heiraten durften, ohne auf eine formelle Scheidung zu waren. Urteile wie diese wurden in erster Linie von aschkenasischen Rabbiner kritisiert, was zur Folge hatte, dass Ovadia Yosef im Laufe der Jahre auf einige seiner Entscheide zurückkommen musste.

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(JNS und Agenturen)



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