
Oberstes Gericht setzt die Ultraorthodoxen unter Druck
Sollen Ultraorthodoxe in der israelischen Armee dienen? Diese Frage spaltet die Regierung, führt zu hitzigen Debatten im Parlament und emotionalen Diskussionen in der Bevölkerung. Anlass ist eine Entscheidung des Obersten Gerichtshof, die staatlichen Stipendien für wehrpflichtige ultraorthodoxe Religionsschüler zu stoppen. Deren Vertreter laufen Sturm gegen die Gerichtsentscheidung. „Die Regierung geht gegen alles vor, was mit unserer Religion und der Welt der Tora verbunden ist“, klagt der Knesset-Abgeordnete Nissim Ze’ev von der Shas-Partei. Rabbiner warnen vor einem drohenden Bürgerkrieg.
Die Ultraorthodoxen oder Haredim, wie sie in Israel genannt werden, sind Anhänger einer besonders strengen Auslegung des Judentums. Sie sind stets schwarz und weiss gekleidet, leben in eigenen Wohnvierteln, haben religiös ausgerichtete Schulen für ihre Kinder, nutzen weder Fernsehen noch Internet und waren bisher vom Militärdienst ausgenommen. Sie sprechen untereinander nicht hebräisch, sondern jiddisch. Dem Staat Israel stehen sie gleichgültig bis feindlich gegenüber, nehmen aber Kindergeld und Sozialhilfe in Anspruch.
Während viele Haredim-Männer lebenslang die fünf Bücher Mose (Tora) studieren, sorgen ihre berufstätigen Frauen für den Lebensunterhalt – neben der Versorgung von häufig einem Dutzend Kindern. Wegen des Kinderreichtums steigt der Anteil der Ultraorthodoxen an der jüdischen Bevölkerung Israels rapide an. Heute stellen sie bereits etwa zehn Prozent, in Jerusalem sogar rund 30 Prozent. Mehr als ein Viertel der Schulanfänger in Israel stammt mittlerweile aus ultraorthodoxen Familien.
Die ständig wachsende Zahl von Menschen, die nicht arbeiten und keine Steuern zahlen, macht der israelischen Wirtschaft zunehmend Probleme. Finanzminister Yair Lapid, angetreten als liberal-säkulare Hoffnungsfigur, hat im Wahlkampf mit seinem Versprechen einer gerechteren Lastenverteilung innerhalb der israelischen Gesellschaft gepunktet. Er will, dass die grosse Mehrheit der Haredim zur Armee geht. Dort wurden spezielle ultraorthodoxe Einheiten eingerichtet, die auf die religiösen Wünsche der Ultraorthodoxen besondere Rücksicht nehmen. So gibt es dort eine Geschlechtertrennung, die Möglichkeit zu regelmässigen Gebeten und zur Einhaltung des Schabbats. Doch die führenden Rabbiner der Ultraorthodoxen warnen ihre Anhänger, dort Dienst zu leisten Lieber sollten sie ins Gefängnis gehen.
Die Fronten sind verhärtet. Das war nicht immer so: Zu Zeiten der Staatsgründung haben Ultraorthodoxe ganz selbstverständlich in der Landwirtschaft gearbeitet und den Staat mit dem Gewehr in der Hand verteidigt. Bis heute ist es für Ultraorthodoxe im Ausland ganz normal, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Nur die israelischen Haredim beharren auf ihren liebgewonnenen Privilegien.
Vom Stipendien-Stopp des Obersten Gerichtshofes sind etwa 3000 ultraorthodoxe Bibelschüler betroffen. Aus der Zukunftspartei von Finanzminister Lapid hiess es, falls die Regierung es nicht durchsetze, dass die Ultraorthodoxen zur Armee gingen, werde die Partei die Regierungskoalition verlassen. Gegenwind gibt es vom nationalreligiösen Handelsminister Naftali Bennett. Er warnte davor, die Bibelstudenten zu kriminalisieren.
Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht – wohl aber neue Massenproteste der Ultraorthodoxen, die fest davon überzeugt sind, mit ihrer Lebensweise Gottes Willen am besten zu erfüllen. (ih)
(JNS und Agenturen)
Kategorien:Gesellschaft
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