Unsere Weisen lehrten uns: „Es gibt keinen verstorbenen Menschen, der diese Welt verliess und es ihm dabei gelang, die Hälfte seiner Begierden oder Leidenschaften in der Hand zu halten.“
Thora-Parascha
Schabbat „Tasria“ – Schabat Hachodesch
Sidra: 3.Mose 12-13
Haftara: 2. Könige 4,42-5,19
Tasria-Psalm 106
Sünde, Strafe und UmkehrIm Wochenabschnitt Tasria werden diverse Aussatzschäden (hebr.: Nega’im) besprochen: „Ein Mensch, wenn an der Haut seines Fleisches etwas Hochweisses oder dem Nahekommendes oder Glanzweisses ist, und es gestaltet sich in der Haut seines Fleisches zu einem Aussatzschaden: so werde er zu Aharon, dem Priester, oder zu einem von seinen Söhnen, den Priestern, gebracht“ (Wajikra 13,2). Wie Rabbiner Hirsch bemerkt, sind Nega’im nicht gewöhnliche Krankheitszustände, sondern solche, die als Folge einer besonderen Gottesschickung eintreten. Unsere Weisen haben Nega’im als Strafe für verschiedene Sünden hingestellt (siehe Talmud, Arachin 16 a und Midrasch Wajikra Rabba 17,3).
Im zugeordneten Psalm 106 ist von Nega’im nicht die Rede. In diesem Text finden wir eine Aufzählung von zehn Sünden, die unsere Vorfahren beim Auszug aus Ägypten in der Wüste und im Lande Kanaan begangen haben. Der Psalmist benennt mehrfach die Strafe, die der Sünde folgte. Hier sei nur ein Beispiel angeführt: „Und sie wurden eifersüchtig auf Mosche im Lager, auf Aharon, den Heiligen des Ewigen. Es öffnete sich die Erde und verschlang Datan und bedeckte die Gemeinde Avirams. Und es entbrannte Feuer gegen ihre Gemeinde, die Flamme verzehrte die Frevler (Verse 16 – 18; als ein weiteres Beispiel siehe die Verse 28 – 30).
Mit der Strafe muss die Geschichte nicht enden. Nega’im sollen zur Umkehr (hebr.: Teschuwa) anspornen – das ist der Sinn der Gottesschickung. Und nach der Aufzählung der Sünden heisst es im Psalm: „Da sah Er hinein in die Not, die ihnen ward, indem Er den Erguss ihres Inneren hörte, gedachte ihnen Seines Bündnisses, liess sich zur Änderung Seines Sinnes bestimmen nach der Fülle Seiner Liebeswirkungen und gab sie zur Erbarmung vor allen ihren Zwingherren“ (Verse 44 – 46). Im Midrasch zu dieser Passage lesen wir, dass Gebet und Teschuwa Israels Erlösung herbeiführen. (Von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)
Sidra Tasria – Schabat Hachodesch
Der Sinn der Sache
Einer nach dem anderen werden im Buch Wajikra (3.BM) Hinweise und Voraussetzungen für den Tempelkult gegeben. Wir lesen welche Opfer – Tier, Mehl, Weihrauch oder Öl – zu welcher Zeit, auf welche Weise und mit welchem Ziel dargebracht werden sollen und was die Priester mit den Teilen der geschlachteten Tiere zu machen haben. Für uns liberale Juden ist das Tempelritual nicht mehr und nicht weniger als eine historische Tatsache. Wir beten weder für den Neubau des Tempels, noch für das Wiederaufnehmen des Opferkultes. Aus diesem Grund beschäftigt uns die für das Tempelritual entscheidende Angelegenheit von rein oder unrein sein, nicht. Dass es reine und unreine Opfertiere gegeben hat, können wir irgendwie noch erfassen, dass Menschen aber rein oder unrein sind, das heisst, als würdig oder unwürdig (um vor Gott zu erscheinen) beurteilt wurden, ist für uns, aus der heutigen Sicht der Gleichheit aller Menschen, schon eher unverständlich. Ob eine Frau menstruiert, ein Mann einen Samenerguss hatte, jemand irgendwelche Körperflüssigkeiten verliert oder an einer Hautkrankheit leidet, ist in unserer Gesellschaft reine Privatsache. Heute lächeln wir über die in der Tora hemmungslos bis ins Detail beschriebenen körperlichen Umstände und die dazugehörenden Massnahmen. Tatsache ist, dass die Tora sich sehr konkret mit allen Facetten des Lebens beschäftigt. Die damals unumstrittene Auffassung, dass der Mensch zu jeder Zeit mit Gott in Verbindung steht, brachte es mit sich, dass man genau wissen musste, wie man Gott gegenübertreten darf und wie eben nicht. Eine menstruierende Frau und ein Mann nach einem Samenerguss haben potentielles Leben vergossen und ein Hautkranker sah damals (offenbar) wie der Tod aus und deshalb waren Menschen in einer solchen Situation einer Gottesbegegnung nicht würdig. Das Judentum wäre aber nicht das Judentum, wenn es nicht einen Ausweg bieten würde. Nach dem Untertauchen in der Mikwe hat man das Leben symbolisch neu bestätigt, ist rein und dem Ritual wieder zugelassen. Wir wissen nicht, welche Auswirkung die Mikwe in der Antike auf die Gemütslage der Menschen hatte. Vielleicht erfuhr man das rituelle Tauchen ‚nur‘ als eine technische Prozedur, als eine Verpflichtung die man nicht hinterfragt. Ich kann mir aber vorstellen, dass die rituelle Reinigung in der Mikwe eine wohltuende, ruhebringende oder sogar spirituelle Erfahrung ist. Sie erlaubt einem Menschen zu jeder Zeit aus der einen Situation in eine neue zu treten, sozusagen einen Neuanfang zu machen. Zum Beispiel nach dem Abschied eines verstorbenen Geliebten, nach einer Scheidung oder einer anderen traumatischen Erfahrung, aber auch als freudiger Neuanfang einer Lebensphase.
Die in der Tora beschriebene Unreinheit hat nichts mit körperlicher Sauberkeit zu tun, schon aber – durch das rituelle Bad – mit der Wahl für das Leben.
Schabat Schalom
Rabbiner Reuven Bar-Ephraim, JLG Zürich
Paraschat Haschawua: schemini.schabbat.para.1.j.pdf; schabbat_para.haftara.pdf
Kategorien:Gesellschaft
Europa ist antisemitisch. Eine Studie belegt es. Wieder einmal.
Thorazitat – Parascha
Thorazitat – Parascha
Elfte Lange Nacht der Religionen in Berlin
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