
Wir wollen Süßes ersetzen, doch vielleicht ist ausgerechnet der Ersatzstoff für den ungesunden Zucker schädlich. | © Li Mangmang/dpa
Diät-Limo, Süsses „ohne Zucker“ – wer das kauft, will abnehmen, gesünder essen oder ist Diabetiker. Nun streiten Forscher, ob die Süssstoffe darin mehr schaden als nützen. Die künstlichen Stoffe sind offenbar schädlich für bestimmte Darmbakterien und können zu Glukose-Intoleranz führen. Das berichten israelische Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature“.
Sie trinken sowieso nur Wasser? Und auf Süssigkeiten verzichten Sie ganz? Wunderbar. Dann können Sie jetzt wegklicken. Denn was Forscher diese Woche im Magazin Nature schreiben, (Suez et. al, 2014) dürfte vor allem all diejenigen interessieren, die statt der Cola gerne mal eine kalorienfreie Coke Zero trinken, statt einer fettig-glasierten Zuckerschnecke lieber einen mageren Früchtequark mit Süssstoff essen oder schlichtweg aus medizinischen Gründen als Diabetiker auf Süssstoff angewiesen sind.
Forscher des Weizmann Institute of Science in Israel führten für ihre Studie Versuche mit Mäusen und einer kleinen Gruppe von Versuchsteilnehmern durch. „Künstliche Süssstoffe wurden in unsere Ernährung eingeführt, um die Kalorienzufuhr zu senken und die Blutzucker-Werte zu normalisieren, ohne, dass wir auf Süsses verzichten müssen“, heisst es in dem „Nature“-Artikel. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Süssstoffe direkt dazu beigetragen haben, genau die Epidemie zu verschlimmern, die sie eigentlich bekämpfen sollten.“
Süssstoffe ersetzen in Getränken, Nachtischen oder Müslis herkömmlichen Zucker. Experten empfehlen sie Diabetes-Patienten und Patienten mit Glukose-Intoleranz, einer Vorstufe zu Diabetes, bei der der Blutzuckerspiegel erhöht ist.
Die Wissenschaftler vom Weizmann-Institut gaben Mäusen Wasser mit drei häufig genutzten Süssstoffen zu trinken. Die Dosis entsprach den auf das Körpergewicht der Mäuse heruntergerechneten Empfehlungen für den Süssstoffkonsum des Menschen. Die Mäuse entwickelten in den Tests eine Glukose-Intoleranz – anders als die Mäuse, die nur Wasser oder mit Zucker gesüsstes Wasser tranken.
Da die Forscher eine Beeinflussung der Darmflora als Ursache dafür vermuteten, wurden Exkremente der mit Süssstoff-Wasser gefütterten Mäusen anderen Mäusen zugeführt, deren Darmflora zuvor mit Antibiotika zerstört worden war. Auch hier entwickelte sich eine Glukose-Intoleranz – offenbar hatte die Veränderung der Darmflora einen negativen Einfluss auf den Stoffwechsel.
So untersuchten die Forscher im Tierversuch die Effekte von drei Süssstoffen:
- Saccharin, auf Listen von Lebensmittel-Inhaltsstoffen an der Nummer E 954 zu erkennen, ist das älteste synthetische Süssungsmittel. Wird es mitgebacken oder gekocht, übersteht es das unbeschadet. Deshalb wird es häufig in Light-Fertiggerichten und Diabetiker-Nahrung eingesetzt.
- Sucralose (E 955), ein Süssstoff, der aus Saccharose – etwa aus Zuckerrohr, Zuckerrüben oder Zuckerpalmen – hergestellt wird, in Europa erst seit 2005 zugelassen ist und den Vorteil hat, dass es keinen bitteren Nachgeschmack erzeugt.
- Aspartam (E 591), ein weit verbreiteter und umstrittener synthetischer Süssstoff, der nicht hitzebeständig ist und sich daher nicht für Backwaren eignet. In Reinform ist er etwa so kalorienhaltig wie Zucker, da die Süsskraft aber um ein Vielfaches höher ist, erzielen geringere Mengen denselben Geschmackseffekt.
Das Ergebnis: Nach elf Wochen hatten die Mäuse, die den Süssstoff-Mix tranken, viel häufiger eine Glukose-Intoleranz entwickelt als die anderen Tiere, die nur Zuckerwasser oder einfaches Wasser bekamen. Die Glukose-Intoleranz ist eine Vorstufe für die Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus von Typ 2, bei der die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug Insulin produzieren kann.
Dieses Hormon braucht aber jeder Mensch, damit der Zucker (Glukose) aus dem Blut abgebaut werden kann, der sich im Verlauf der Verdauung von Kohlehydraten im Blut anreichert. Kann der Körper diesen nicht verarbeiten, steigt der Blutzuckerspiegel – die Folge sind typische Diabetes-Symptome.
Auch wenn die Forscher um Eran Elinav und Jotham Suez vom israelischen Weizmann-Institut in Nature jetzt vor den Folgen dieser Süssstoffe warnen – einen Beweis für deren Schädlichkeit haben sie nicht gefunden.
Schliesslich unterzogen sich sieben freiwillige Testpersonen, die normalerweise keinen Süssstoff zu sich nehmen, einem Versuch: Sie konsumierten eine Woche lang so viel Süssstoff, wie von der US-Lebensmittelbehörde FDA als Höchstwert empfohlen wird. Bei vier der Versuchsteilnehmer wurden erhöhte Blutzucker-Werte und eine Veränderung der Darmflora beobachtet.
„Das verlangt nach einer Neubewertung des massiven, unkontrollierten Konsums dieser Substanzen“, erklärte Studienautor Eran Elinav. Bisherige Studien zu Süssstoffen hatten unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht: Einige zeigten positive, andere negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Körpergewichts und auf die Glukose-Verträglichkeit.
Die neue Studie zeige, dass Süssstoffe womöglich nicht die „harmlose Wunderwaffe gegen Fettleibigkeit und Diabetes“ seien, als die sie gedacht waren, kommentierte Nita Forouhi von der Universität Cambridge den „Nature“-Artikel. Sie und andere Forscher hoben aber hervor, dass die Studie wegen der geringen Zahl von Versuchsteilnehmern und der kurzen Studiendauer noch keine wirklichen Rückschlüsse zulasse. Bisherige Gesundheits-Empfehlungen sollten nicht allein auf Grundlage der neuen Studie geändert werden.
(JNS und Agenturen)
Kategorien:Wissenschaft
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