Radikaler Jungmillionär stiehlt Netanjahu die Schau


In knapp zwei Wochen wählen die Israelis ihr Parlament. Regierungschef Netanjahu sah lange wie der sichere Sieger aus. Doch dann kam Naftali Bennett: Er begeistert vor allem Junge und Hardliner.

Naftali_Bennet

Multimillionär Naftali Bennett (40) in seinem Auto auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt in Tel Aviv. Er ist eloquent, charmant und radikal. Netanjahus Lager hat Respekt
Foto: Getty Images

Vor nicht allzu langer Zeit gehörte ein Mann zu den engsten Vertrauten von Netanjahu. Am 22. Januar wird in Israel ein neues Parlament gewählt und jetzt sorgt dieser für eine wachesende Nervosität bei der Likud-Beitenu Naftali. Es ist der Millionär Naftali Bennett. Er war von 2006 bis zur überraschenden Trennung 2008 Stabschef des heutigen Regierungschefs. Über die wahren Gründe des Weggangs ist nicht viel bekannt. Angeblich habe Bennett sich mit Sarah Netanjahu, der einflussreichen Frau seines Chefs, überworfen. Jetzt ist Bennett Vorsitzender der rechtsnationalen Partei „Das jüdische Haus“.

Naftali Bennett wird 1972 im nordisraelischen Haifa geboren. Seine Eltern, amerikanische Juden aus San Francisco, sind nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 nach Israel eingewandert. Nach dem Schulabschluss leistet Bennett seinen Militärdienst bei der Eliteeinheit „Sajeret Matkal“, der einige Jahre vor ihm auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der scheidende Verteidigungsminister Ehud Barak angehört hatten.

Er studiert Jura und gründet 1999 die Softwarefirma „Cyota“. Sechs Jahre später verkauft er „Cyota“ für umgerechnet 110 Millionen Euro. Finanziell hat Bennett nun ausgesorgt, er ist gerade einmal 33 Jahre alt. Ein Jahr später bekommt er, wie Tausende junger Israelis, einen Einberufungsbescheid als Reservist. Der Libanonkrieg 2006 wird für den Jungmillionär ein politisches Erweckungserlebnis. Als sein bester Freund bei den Kämpfen ums Leben kommt, beschliesst er, der Geschäftswelt den Rücken zu kehren und sich fortan sozial und politisch zu engagieren.

Mit seinem politischen Aufstieg lässt er sich kaum mehr Zeit als mit seinem Geschäftserfolg: Nach einer kurzen Periode als Netanjahus Stabschef beruft der Siedlerrat Jescha ihn Anfang 2010 zum Generaldirektor. Bennet wird zum schärfsten Kritiker des von seinem ehemaligen Chef auf Drängen der US-Regierung durchgesetzten temporären Baustopps in den Siedlungen im Westjordanland. Dabei lebt er mit seiner Frau und den vier Kindern gar nicht in einer Siedlung im Westjordanland sondern in Raanana, einem wohlhabenden Vorort von Tel Aviv.

Nur kurz nachdem er 2012 die Likud-Partei verlässt, bewirbt er sich um den Parteivorsitz seiner neuen politischen Heimat, der nationalreligiösen Konkurrenz „Das jüdische Haus“. Bei den internen Vorwahlen am 6. November 2012 gewinnt er mit 67 Prozent der Stimmen. In den Umfragen hat „Das Jüdische Haus“ seine Werte seitdem mehr als verdoppeln können und stellt in den Umfragen nun mit 13 bis 16 Mandaten die drittstärkste Kraft in der Knesset.

Bennett ist charmant, intelligent und sehr eloquent. Vor allem aber ist er anpassungsfähig: Virtuos stimmt er Tonfall und Argumentation auf den Charakter seines jeweiligen Publikums ab. Vor nationalreligiösen Siedlern zitiert der selbst religiöse Neupolitiker einflussreiche Rabbiner, mit säkularen Post-Zionisten diskutiert er geschickt die Identitätsprobleme eines jüdischen Staates.

41 Prozent der israelischen Wähler einer Umfrage zufolge einen „positiven Eindruck“ von Bennett haben, nur 26 Prozent sehen den Newcomer eher negativ. Seiner Ideologie und seinen politischen Prinzipien bleibt er allerdings immer treu. So zum Beispiel will Bennett den Konflikt mit den Palästinensern gar nicht beenden. In seinem im Februar 2012 veröffentlichten Plan „Naftali Bennetts Stabilitätsinitiative“ fordert der High-Tech-Millionär die Annexion der gesamten jetzt noch von Israel verwalteten C-Gebiete im Westjordanland – immerhin 60 Prozent des Gesamtfläche, die die Palästinenser für einen zukünftigen Staat beanspruchen wollen.

Bennett äussert sich entschieden gegen die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates. Der Palästinenserführung will er aber eine gewisse Selbstverwaltung in den verbleibenden Gebieten zugestehen. Eine Verbindung zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen soll es nach seinem Willen auch bei einem Ende der Hamas-Herrschaft in Gaza nicht geben: Der Gazastreifen werde dann nach und nach von Ägypten annektiert.

Politisch unterscheidet er sich nicht von grossen Teilen der Likud-Partei und gerade das macht ihn für die Partei so gefährlich. So war eben Bennett in den vergangenen Wochen das Ziel einiger besonders aggressiver Angriffe aus Netanjahus Umfeld. Besonders harsche Kritik erntete der Newcomer für das Bekenntnis, sein Gewissen würde ihm die Räumung jüdischer Siedlungen nicht erlauben – selbst wenn er als Soldat den entsprechenden Befehl bekommen würde.

Kurz darauf ruderte er zurück: „Wenn es zum schlimmsten kommt – ich sage das ganz deutlich – muss ein Soldat seinen Befehlen folgen“, stellte er klar und fügte spitzfindig hinzu, der Räumungsbefehl für ein „arabisches Dorf oder eine jüdische Siedlung“ stelle immer auch ein Vergehen „gegen grundlegende Menschenrechte“ dar, die der Soldat abwägen müsse.

Naftali Bennett geht heute davon aus, dass Netanjahu mit grosser Wahrscheinlichkeit auch nach den Wahlen in zwei Wochen noch Ministerpräsident sein wird. Daher sieht er seine vordergründige Aufgabe darin, seinen ehemaligen Vorgesetzten mit ihm selbst als Juniorpartner in einer Koalition nicht vom rechten Pfad abkommen zu lassen.

„Er ist ein guter Mann“, sagt Bennett über Netanjahu und das klingt durchaus ein wenig arrogant. „Er hat sein Herz am rechten Platz und ich glaube, sein Hauptziel ist es, Israel zu stärken.“ Leider sei Netanjahus moralischer Kompass so wackelig, dass er besonderer Hilfe bedürfe, deshalb dürfe der Likud-Block keinen überwältigenden Wahlsieg davontragen. Er ist sehr besorgt darüber, was Netanjahu unter starkem internationalen Druck tun könnte, wenn die Mehrheitsverhältnisse es ihm erlaubten. Wieder ein echter Bennet. Übersetzt heisst das: Wählt mich, ich bin Netanjahus Korrektiv.

So bleibt es bis zum 22. Januar sehr spannend



Kategorien:Politik

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