Chomsky warnt vor Apokalypse


Noam ChomskyDer Sprachwissenschaftler und Philosoph Noam Chomsky meldet sich mit einer Warnung vor Atomkriegen und fossilen Brennstoffen. Hoffnung erkennt er in tribalen Gesellschaften.
 
«Was wird die Zukunft der Menschheit bringen?» Mit dieser grossen Frage beginnt der Philosoph und Sprachwissenschaftler Noam Chomsky ein Essay mit dem Titel «Apocalypse on a String», das eben in der politischen Zeitschrift «The Nation» erschienen ist. Darin versetzt sich der 84-jährige Sohn einer jüdischen Akademikerfamilie aus Philadelphia in die Position eines Historikers, der in hundert Jahren auf unsere Gegenwart zurückschaut.

Von dieser fernen Warte aus stellt der seit über 50 Jahren am Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrende Chomsky zunächst fest, dass die Menschheit nach dem Zweiten Weltkrieg fähig geworden sei, sich selbst und ihre natürlichen Lebensgrundlagen zu vernichten. Dieses Katastrophenpotential geht laut Chomsky von zwei Entwicklungen aus: dem auf dem Verbrennen fossiler Energieträger beruhenden Klimawandel und den nuklearen Arsenalen weltweit.

Was Atomwaffen angeht, so erinnert Chomsky an die Kuba-Krise vom Oktober 1962 und spätere Episoden im Kalten Krieg, die unseren Planeten um ein Haar in einen nuklearen Schlagabtausch gestürzt hätten. Heute sieht der bekennende Anarcho-Syndikalist eine zunehmende Gefahr von Atomkriegen zwischen den USA und Nordkorea oder dem Iran.

Um diesen Untergangszenarien vorzubauen, empfiehlt Chomsky einen Dialog mit Nordkorea und die Etablierung einer Atomwaffen-freien Zone im Nahen und Mittleren Osten. Dass Israel diese Idee als existentielle Bedrohung ablehnt, ist Chomsky keine Silbe wert.

In Sachen Klimawandel kritisiert der Globalisierungsgegner die Energie-Politik der Obama-Regierung, die – im Gegensatz etwa zu europäischen Staaten – tatsächlich «kein nationales Programm zur Beschränkung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe etabliert» hat. Dies führt Chomsky auf mächtige Wirtschaftsinteressen zurück.

Hoffnung sieht er jedoch in einem überraschenden Phänomen: Tribale Gemeinschaften auf dem amerikanischen Doppelkontinent, aber auch in Australien und Asien hätten die Führung im Kampf gegen die von Regierungen und Grosskonzernen betriebene Ausbeutung natürlicher Ressourcen und Verbrennung fossiler Brennstoffe übernommen.

Dies mag für Länder wie Kanada, Ekuador oder Bolivien zutreffen. Aber gleichzeitig ignoriert Chomsky, dass die Navajo-Indianer auf ihrem gewaltigen Reservat im sonnig-trockenen, amerikanischen Südwesten nicht etwa in Solarenergie investieren, sondern in Kohlegruben und mit Kohle betriebene Kraftwerke. Und die Förderung von Erdöl und Erdgas am Persischen Golf wird zumindest auf der arabischen Seite von Gesellschaften betrieben, in denen tribale Strukturen weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

Zukünftige Historiker dürften diesen Diskussionsbeitrag zur Rettung der Menschheit daher nicht zu den Meisterwerken des MIT-Professors rechnen. Doch wie Chomsky schreibt, gibt es in hundert Jahren aufgrund von Klimawandel und Atomkriegen vielleicht gar keine Historiker mehr. [AM]

Bild: Noam Chomsky (Keystone)



Kategorien:Gesellschaft

Schlagwörter:, , , ,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..