Thorazitat des Tages – Thora-Parascha


ThoraUnsere Weisen lehrten uns: „Ungefragt lebst du, und ebenso ungefragt wirst du sterben, und noch ungefragter wirst du Rechenschaft vor dem König aller Könige – dem Heiligen, gelobt sei Er – abgeben müssen.“

Thora-Parascha

Schabbat „Schemot – Namen“
Lesung: 2. Mose 1,1 – 6,1
Jesaja 27,6 – 28,13; 29, 22-23

Schemot-Psalm 99
Botschafter des Ewigen

Wer nach einem Verbindungspunkt zwischen Psalm 99 und dem Wochenabschnitt Schemot sucht, dem springt ins Auge, dass der Psalmist von den Brüdern Mosche und Aharon spricht, die beide im Wochenabschnitt Schemot erstmals erwähnt werden.
 
Mosche bekam von Gott folgenden Auftrag: Und nun, komme, dass ich dich sende zu Pharao, und führe mein Volk, die Kinder Israels, aus Mizrajim“ (Schemot 3,10). Später wurde Aharon Assistent seines Bruders: „Und du sollst zu ihm reden und ihm die Worte in den Mund legen, und ich werde sein mit deinem Munde und mit seinem Munde und euch unterweisen, was ihr tun sollt. Und er wird reden zu dem Volke, und so soll er dir sein zu einem Mund, und du wirst ihm sein zu einem Gott“ (Schemot 4, 15 und 16). Rabbiner Hertz erklärt: „Mosche empfängt seine Eingebungen von Gott direkt und wird der Inspirator seines Bruders, der als Dolmetsch vor Pharao und gegenüber Israel auftreten soll.“
 
Im Psalm 99 lesen wir: „Mosche und Aharon waren unter seinen Priestern und Schmuel unter den Anrufern seines Namens. Sie riefen zum Ewigen, und er erhörte sie“ (Vers 6). Worauf beruht das Geheimnis ihrer Erhörung? Rabbiner Hirsch erklärt: „Sie standen Gott so nahe und konnten so sehr sich in die göttlichen Waltungswege hinein denken, dass sie mit dem, was sie von Gott erflehten, nur den göttlichen Absichten entgegen kamen.“
 
Der Psalmist unterstreicht die Tatsache, dass Gott seinen  Boten keine diplomatische Immunität gewährt: „Ewiger unser Gott, du erhörtest sie. Ein verzeihender Gott warst du ihnen und auch Rächer ihrer Untaten“ (Vers 8). Bezüglich Mosche und Aharon  spielt der Psalmist   auf den Vorfall in Kadesch an (siehe Bamidbar 20,12). Den Propheten Schmuel bestrafte Gott, weil er seine Söhne nicht richtig erzogen hatte (siehe Raschi und Rabbiner Hirsch zu Vers 8). (von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)

Sidra schemot

Ziviler Ungehorsam

Der Anfang des 2. Buch Mose, Schemot, bringt uns mit grossen Schritten von Jossef zu Mosche. Die Nachkommen von Jossef und seinem Clan waren vierhundertdreissig Jahre in Ägypten. Sie waren integriert und hatten es gut, bis eines Tages ein neuer König antrat, der seine eigene Geschichte, das heisst, Jossefs Beitrag an die Wirtschaft und Entwicklung von Ägypten, nicht kannte. Stattdessen sah er die in Ägypten zu einem grossen Volk herangewachsenen Kinder Israels als mögliche ‚fünfte Kolone‘, die sich bei einem eventuellen Angriff auf Ägypten dem Feind anschliessen könnte. Also versklavte er die Hebräer und gebot den Hebammen Shifra und Pu‘a die neugeborenen hebräischen Buben zu töten. Das machten diese heldenhaften Frauen aber nicht. Laut Tora weil: „Sie fürchteten Gott und liessen die hebräischen Neugeborenen am Leben.“[1] 

Wie ist es möglich, dass diese zwei Frauen das Diktat eines Pharao ignorieren? Die einen Erklärer meinen, Shifra und Pu‘a seien Hebräische, die anderen, es seien Ägyptische Hebammen gewesen. Die Identität von Shifra und Pu‘a ist unklar, weil der hebräische Text unklar ist:  וַיֹּאמֶר מֶלֶךְ מִצְרַיִם לַמְיַלְּדֹת הָעִבְרִיֹּת  „Wajomer melech mizrajim lamejaldot ha’iwrijot…“[2]. Diese Worte sind doppelsinnig. Einerseits  kann der Satz verstanden werden als: „Der König von Ägypten sagte den hebräischen Hebammen…“ und anderseits aber auch als: „Der König von Ägypten sagte den Hebammen der Hebräerinnen… “, wobei diese Hebammen eben Ägyptische Hebammen waren.
 
Folgt man den Befürwortern der Hebräischen Hebammen, leuchtet ihr Widerstand gegen den Pharaonischen Entscheid ein. Wie konnten sie mithelfen, ihr eigenes Volk auszurotten? Die Tora versteht die Entschiedenheit der Hebammen aus ihrer Gottesfurcht.[3] Nachum Sarna [4] ist einer von denen, die Shifra und Pu’a als Ägyptische Hebammen sehen. Er verbindet ihre Gottesfurcht mit dem Glauben an die Heiligkeit des Lebens, mit der Kraft des Guten im Menschen und mit dem Glauben an eine höhere Macht, die im moralischen Verhalten von Menschen zum Ausdruck kommt. Es ist genau diese Weltanschauung, die den Ägyptischen Hebammen die Kraft und den Mut gab, dem Befehl des Pharaos zu widerstehen. Die Hebammen Shifra und Pu’a, ob nun Hebräisch oder Ägyptisch, sind ein Musterbeispiel dafür, was wir ab dem 19. Jahrhundert als ‚ziviler Ungehorsam‘ kennen. Diese Frauen sind exemplarisch dafür, wie Mut und Überzeugung gegen Tyrannei aufstehen können. Der Wille, dem Guten nachzustreben, haust in uns allen. Seit Shifra und Pu’a ist die zivile Ungehorsam eine Möglichkeit unseres Verhaltens geworden. Sie kann den Unterschied zwischen Unterdrückung und Freiheit, zwischen Unrecht und Recht machen.        
 
Schabat Schalom,
Rabbiner Reuven Bar Ephraim, JLG Zürich
 
[1] Schemot [2.BM] 1, 8-17.
[2] Schemot [2.BM] 1, 15.
[3] Schemot [2.BM] 1, 17.
[4] Nachum M. Sarna (1923-2005), Exploring Exodus, 1996, S. 24-26.

Paraschat Haschawua: schemot.1.j..pdf, schemot.haftara.pdf



Kategorien:Gesellschaft

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