Offener Antisemitismus in der Ukraine


Dieses Flugblatt verteilten die Vermummten in Donezk Foto: The Coordination Forum for Countering Antisemitism.

Dieses Flugblatt verteilten die Vermummten in Donezk
Foto: The Coordination Forum for Countering Antisemitism.

Ein antisemitischer Aufruf in der Ost-Ukraine versetzt die jüdische Gemeinde in Angst. In Donezk haben Unbekannte judenfeindliches Flugblatt zur „Judenzählung“ aufgerufen. Ferner sollten alle Juden der Stadt ihre Vermögensverhältnisse offenlegen.In Donezk leben heute ca. 17 000 Juden. Die Berichte in israelischen und US-Medien über den Zwischenfall lösten Besorgnis aus, die prorussischen Kräfte in der Ostukraine würden eine Verfolgung der Juden planen.

Drei Männer haben in Tarnuniform am Dienstagabend in Donezk Flugblätter verteilt, auf denen alle Juden über 16 Jahren aufgerufen werden, sich registrieren zu lassen. Die Vermummten trugen Flaggen der russischen Föderation und verteilten die Zettel in der Nähe einer Synagoge.

Die Registrierung solle laut Flugblatt in einem von pro-russischen Separatisten besetzten Gebäude stattfinden und würde auch das Vermögen (Grundstück, Fahrzeug) umfassen – anderenfalls drohten Deportation und Enteignung.

Auf den Flugblättern hiess es unter anderem: „Juden unterstützen die nationalistische Bande von Stepan Bandera in Kiew“. Bandera war ein ukrainischer Nationalist, der 1940 an der Seite von Nazi-Deutschland gegen die sowjetischen Truppen kämpfte. Des Weiteren wurde der jüdischen Gemeinschaft vorgeworfen, gegen die von moskautreuen Aktivisten einseitig ausgerufene „Republik von Donezk“ zu sein.

Der Aufruf gleicht formell offiziellen Dokumenten der pro-russischen Kräfte und trug die Unterschrift von Separatisten-Führer Denis Puschilin. Dieser bestritt jetzt jedoch, an den Flugblättern beteiligt gewesen zu sein und verurteilte angeblich diese Aktion als „Provokation ukrainischer Elemente“.

Rabbi Pinchas Wyschedski

Es handle sich um eine Provokation, erklärte Rabbi Pinchas Wyschedski.

Die jüdische Gemeinde in Donezk ist besorgt, kann bisher nicht zuordnen, wer verantwortlich ist: „Wir haben versucht herauszufinden, wer dahinter steckt, aber niemand wollte die Verantwortung übernehmen“, sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Donezk der israelischen Zeitung „Jerusalem Post“. Einem Bericht zufolge verlautete aus der jüdischen Gemeinde, dass die Verteilaktion die pro-russischen Separatisten diffamieren und Unruhe stiften solle.

Die jüdische Gemeinde hatte sogar Mitglieder zur angeblichen Registrierungs-Stelle gesendet – doch der Ort war verlassen.

Jüdische Organisationen weltweit haben ihre Sorge über den Vorfall geäussert. Der Vorsitzende der Jewish Agency, Natan Scharanski, sagte gegenüber „Radio Israel“, dass er 2014 mit einer Verdopplung der Einwanderungszahlen aus der Ukraine nach Israel erwarte. Seit Ausbruch der Unruhen im November 2013 hatte es mehrere antisemitische Übergriffe gegeben.

Direktor des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem, Efraim Zuroff, bezweifelt die Echtheit der Flugzettel: „Es wirkt wie ein Versuch, die pro-russischen Kämpfer als antisemitisch darzustellen.“ In den vergangenen Monaten wurde die ukrainische Opposition zunehmend als judenfeindlich kritisiert.

Die US-Botschaft in Kiew erklärte, es habe besorgte Nachfragen von Juden zu den Flugblättern gegeben. US-Aussenminister John Kerry verurteilte die Pamphlete. Ein derartiges Vorgehen in der heutigen Zeit sei „mehr als nur intolerabel, es ist grotesk“, sagte er in Genf. Russland hatte der ukrainischen Übergangsregierung wiederholt vorgeworfen, von Antisemiten und Faschisten dominiert zu sein.

In der Ukraine ist es seit vergangenen November wiederholt zu Ausschreitungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen gekommen. Anfang Januar wurde der Hebräischlehrer Hillel Wertheimer in Kiew brutal zusammengeschlagen. Im Februar war die Synagoge der Reformgemeinde „Ner Tamid“ auf der Krim mit antisemitischen Sprüchen wie „Tod den Juden“ besprüht worden. Zuletzt war im vergangenen März der Rabbiner Hillel Cohen in Kiew überfallen, antisemitisch beleidigt und leicht verletzt worden.

(JNS, Chaim Stolz)



Kategorien:News

Schlagwörter:, ,

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..