Auf Hochtouren: Der Teufelskreis von TERROR und Vergeltung


Israelis zünden Trauerkerzen nahe dem Ort in der West Bank, an welchem die drei Teenager entführt worden sind

Israelis zünden Trauerkerzen nahe dem Ort in der West Bank, an welchem die drei Teenager entführt worden sind

NETANYAHU VOR DEM SICHERHEITSKABINETT: «Hamas trägt die Verantwortung, Hamas wird bezahlen» In  einem Kommentar zur aktuellen Situation im Nahen Osten schreibt Tachles, dass sich jetzt der Teufelskreis von Raketenangriffen und Vergeltungsaktionen auf Hochtouren drehe.

Nach der Entdeckung der Leichen der vor 19 Tagen entführten israelischen Jeschiwastudenten Gilad Sha-er, Naftali Fraenkel und Eyal Yifrach dauerte es am Montagabend nur kurze Zeit, bis klar wurde, dass die Zeichen des Barometers sich unaufhaltsam in Richtung «Sturm» zu bewegen begonnen hatten. Die israelische Luftwaffe griff eine ganze Reihe von Terrorzielen im Gazastreifen an, im Wesentlichen Basen der Hamas und des Islamischen Jihads. Palästinensische Stellen sprachen von mindestens 30 Zielen. Daraufhin schossen die Palästinenser mindestens drei Raketen auf die Region Eshkol im Süden Israels. Einige Fahrzeuge wurden dabei beschädigt.  Menschen kamen auf israelischer Seite nicht zu Schaden. In Gaza meinte Hamas-Regierungschef  Ismail Haniyeh, Israels Drohungen würden sie nicht abschrecken, und ein Sprecher der Bewegung drohte, Israels würde «die Tore der Hölle öffnen», wenn es angreifen sollte.

Tiefe Trauer hatte sich am Montagabend über das ganze jüdische Israel, und  über die  jüdische Welt ausgebreitet, als die schlimmste aller Befürchtungen sich zur Tatsache gewandelt hatte: Auf einem offenen Feld neben der Stadt Halhoul unweit von Hebron entdeckten israelische Freiwillige die offenbar hastig versteckten Leichen der vor 19 Tagen entführten drei israelischen Jugendlichen. Halhoul wurde von der Umwelt abgeriegelt. Nach den ersten offiziösen Meldungen verdichteten sich die Vermutungen, wonach die drei schon unmittelbar nach ihrer Entführung ermordet worden sind. Die ganze Zeit über stachen ihre Eltern in Israel und auch bei Auftritten im Ausland durch ihren unbeugsamen Optimismus und ihr Vertrauen in ein gutes Ende der Affäre hervor, das sich nun doch nicht bewahrheitet hat.  Obwohl die Hamas die ganze Zeit über offiziell keine direkte Stellung bezog zur Affäre, machten israelische Politiker bis hinauf zu Premier Netanyahu keinen Hehl daraus, dass sie in der den Gazastreifen kontrollierenden Bewegung sowohl die ideologischen als auch die ausführenden treibenden Kräfte des Verbrechens sehen. «Hamas trägt die Verantwortung, Hamas wird bezahlen», sagte Premier Netanyahu am späten Montagabend bei der Eröffnung der Dringlichkeitssitzung des israelischen Sicherheitskabinetts. Es braucht wenig Fantasie, um sich auszumalen, dass bei dieser Gelegenheit harsche Vorschläge vorgebracht wurden, um den Tod der drei Jugendlichen zu rächen. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Todesmeldung drangen IDF-Truppen in die Häuser der beiden flüchtigenHauptverdächtigten der Entführung in Hebron ein. Nach palästinensischen Meldungen sollen die Häuser teilweise in Flammen aufgegangen sein.

Erste israelische Reaktionen: Aussenminister Avigdor Lieberman brach nach Bekanntwerden der Nachricht in Berlin eine Reise nach Deutschland und der tschechischen Republik sofort ab und kehrte nach Israel zurück. Der Rat der Siedler in der Westbank fordert die Errichtung neuer Siedlungen. Nur das würde den Feinden Israels zeigen, dass ihr schreckliches Verbrechen «uns nur stärken» würde. Wohnbauminister Uri Ariel: «Im Krieg wie im Krieg.». Verkehrsminister Katz: «Der Hamas mus eine Lektion vermittelt werden, die sie nie im Leben vergessen.»- Wirtschaftsminister Naftali Bennett: «Jetzt ist es an der Zeit, zu handeln, und  nicht zu reden. Kindermördern wird nicht vergeben werden.» – Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, erklärte in einer ersten Reaktion, das schändliche Verbrechen müsse die Welt zu Aktionen gegen die Hamas veranlassen. Zahlreiche westliche Regierungen mit den USA an der Spitze verurteilten den dreifachen Mord bedingungslos.

Premierminister Netanyahu und seine Minister stehen nun vor der denkbar schwierigen Aufgabe, zwischen der verständlichen Wut im Volk zu lavieren, dem Drängen des rechten Flügels in seiner Regierung auf eine harsche Reaktion und der Sorge, dass es zu einer gewalttätigen, eskalierenden Runde der Gewalt mit der Hamas kommen könnte, deren Beginn sich schon abzuzeichnen begonnen hat, deren Ende und vor allem deren Folgen aber unabsehbar sind. Netanyahu muss es rasch gelingen, seine Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass er nach wie vor die Oberhand gegenüber der Hamas behält, ohne sich deswegen in ein langwieriges, vielleicht verlustreiches militärisches Abenteuer zerren zu lassen. Die Atmosphäre im eigenen Volk, vor allem in dessen rechts-nationalen Kreisen, erhitzt sich zusehends, und sehr viel Zeit zum Lavieren bleibt Netanyahu nicht. Dass das Sicherheitskabinett laut am Dienstagmorgen vorliegenden Meldungen keine extrem harten Massnahmen verabschiedet hat, darf als erstes, sachtes Anzeichen für die Dominanz der Vernunft gewertet werden. Das Gleichgewicht zwischen Hamas und Israel ist aber labil wie selten zuvor.  Noch vor Bekanntwerden der Ermordung der drei Jugendlichen wiesen israelische Sicherheitsstellen darauf hin, dass Hamas-Mitglieder erstmals seit November 2012 wieder hinter Raketenangriffen gegen Israel stehen, konkret hinter der Welle von Raketen, die am Montagmorgen auf den Süden Israels niedergegangen sind. Die Mehrheit der 16 Raketen, die am gestrigen Morgen gezählt wurden, schlugen im offenen Gelände in der Region Eshkol ein. Nach Ansicht israelischer Experten reagierte die Hamas damit auf einen kurz zuvor von der israelischen Luftwaffe geflogenen Angriff, bei dem ein Mitglied des militärischen Flügels der Hamas ums Leben kam und weitere verletzt wurden. Zugleich wollte die Organisation offensichtlich eine Warnung aussenden, im Zusammenhang mit der Suche nach den vor über zwei Wochen entführten drei jüdischen Studenten – die Aktionen liefen damals noch auf Hochtouren – ihre Mitglieder nicht zu verfolgen und zu beeinträchtigen. Bisher hat die Hamas die von anderen Organisationen verübte Raketenangriffe zwar nicht kritisiert, hatte aber auch nichts unternommen, um den Angehörigen der Splittergruppen ihr Handwerk zu erschweren. Für Premier Netanyahu und seine Koalitionsregierung ist und bleibt die Hamas die letztverantwortliche Organisation für die Angriffe gegen Israel. «Wenn die Hamas die Raketen gegen Israel nicht stoppt, werden wir es tun», meinte der Regierungschef am Montagmorgen in der Knesset. Diese Worte sollte die Gegenseite jetzt, nach dem tragischen Ende der Entführungsaffäre, ernster denn je nehmen. [JU / tachles.ch]



Kategorien:Nahost

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