Thorazitat des Tages – Parascha


ThoraUnsere Weisen lehrten uns: „Jeder, der die Zeit verdrängt bzw. vorzieht, den verdrängt die Zeit…“

Thora-Parascha

Sidra: „Ki Tawo“
Lesungen: 5. Mose 26:1 – 27:10
Haftara: Jesaja 60:1 – 22

Ki Tawo-Psalm 51

Warnung und Zurechtweisung

Es ist kaum zu glauben, aber doch nicht zu bestreiten: Es gab Gemeinden, in denen man weder den Wochenabschnitt Bechukotai noch den Wochenabschnitt Ki Tawo am Schabbat aus der Tora gelesen hat, und zwar weil niemand zum Abschnitt der Warnungen (hebr.: Tochacha) aufgerufen werden wollte. Mit Recht hat der Autor der „Mischna Berura“ diese Praxis scharf kritisiert (Be’ur Halacha 428,6). Man kann von einer Vogel – Strauss – Politik in der Synagoge sprechen: Gerade eine Nichtbeachtung der Tochacha führt zu den befürchteten Folgen.   Die furchtbaren Strafen werden nur im Fall des Ungehorsams eintreten: „Und es wird geschehen, wenn du nicht gehorchest der Stimme des Ewigen, deines Gottes, zu beobachten, auszuüben all seine Gebote und Satzungen, die ich dir heute gebiete, so werden auf dich kommen all diese Flüche und dich treffen“ (Dewarim 28,15 – siehe auch die Verse 58 und 59). Sinn der angekündigten Heimsuchungen ist es, das sündige Volk zur Umkehr zu bewegen (siehe Wajikra 26, 40 – 45).    Im zugeordneten Psalm 51 ist ebenfalls von einer Zurechtweisung die Rede; König David deutet einen solchen Vorfall an: „Als der Prophet Nathan zu ihm gekommen, da er zu Batschewa gekommen war“ (Vers 2). Rabbiner Hirsch erklärt: „Siehe Schmuel II.12. David hatte sich mit Batschewa und Urija vergangen, und war der Prophet Nathan an ihn gesandt, ihm den ganzen Umfang des Verderbens zu vergegenwärtigen, dass er mit dieser Schuld auf sich und sein Haus heraufbeschworen hatte“. Psalm 51 zeigt uns, wie ein reuiger Sünder auf eine Zurechtweisung reagieren sollte –  mit einem Bekenntnis: „Denn meine Verbrechen sind mir bewusst, und mein Fehl ist mir stets gegenwärtig“ (Vers 5). Dann sollte er den Ewigen um Verzeihung bitten: „Birg Dein Angesicht vor meinen Vergehen, und alle meine Sünden tilge“ (Vers 11). Und sich für die Zukunft Gottgefälliges vornehmen: „So will ich Verbrechern lehren Deine Wege, und ergraute Sünder, wie sie zu Dir zurückkehren mögen“ (Vers 15). (Von:Prof. Dr. Yizhak Ahren )

Sidra Ki TAWO

Unsere Erbschaft vergeuden?
„Ein verlorener Aramäer war mein Vater, und er zog hinab nach Ägypten und blieb dort als Fremder mit wenigen Leuten, und dort wurde er zu einer grossen, starken und zahlreichen Nation. Die Ägypter aber behandelten uns schlecht und unterdrückten uns und auferlegten uns harte Arbeit. Da schrieen wir zum EWIGEN, dem Gott unserer Vorfahren, und der EWIGE hörte unser Schreien und sah unsere Unterdrückung, unsere Mühsal und unsere Bedrängnis. Und der EWIGE führte uns heraus aus Ägypten mit starker Hand und ausgestrecktem Arm, mit grossen und furchterregenden Taten, mit Zeichen und Wundern, und er brachte uns an diesen Ort und gab uns dieses Land, ein Land, in dem Milch und Honig fliessen. Und nun sieh, ich bringe die erste Ernte von den Früchten des Bodens, den du, EWIGER, mir gegeben hast“ (Dewarim [5.BM] 26, 5-10).

Dieser Text in der dieswöchigen Sidra ist der einzige in Tora als Liturgie vorgeschriebene Text. Er gehörte zum Ritual, in dem der Bauer den Priestern im Tempel in Jerusalem seine erste Ernte übergab. Mit dem Aufsagen des Textes erfüllte der Bauer eine Mizwa und platzierte sich gleichzeitig in die Kette der Generationen des jüdischen Volkes. Das Bringen der ersten Ernte begann an Schawu’ot und endete an Sukot. Ein anderer Name für Schawu’ot ist Chag Habikurim (Fest der ersten Ernte). Dieser Name erinnert uns heute noch an dieses Wallfahrtsfest der Ernte.

Diese Zeremonie ging, wie so viele, mit der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.u.Z. verloren. Der dazugehörende Text jedoch nicht. Die Rabbinen gaben ihm eine neue Bestimmung und zwar als Grundtext der Hagada. Wir lesen diesen Text am Sederabend als Antwort des Magids auf die Fragen der Kinder „Ma nischtana halaila hase mikol halelot? Warum ist dieser Abend anders als alle andere Abenden?“

In orthodox-jüdischen Kreisen, in denen man für den Wiederaufbau des Tempels betet, wird die Ernteabgabe Zeremonie zu seiner Zeit wieder zu Ehren gebracht. Seit dem Beginn der Ansiedlung im Lande Israel, ich rede vom Anfang des 20. Jahrhunderts, wird die Ernteabgabe Zeremonie in vielen säkularen Kibuzim nachgespielt. Die Kinder, ausgestattet mit Körben voller Früchte laufen im Umzug, zusammen mit Lämmern und Kälbern, zu einem als Priester verkleideten Mann auf dem Land und übergeben ihm die mitgeführten Erstlinge.  Heute sind es gross ausgebaute, spektakuläre Anlässe, die an Schawu’ot viele Tausende Stadtbewohner ziehen. Das rituelle Bringen der ersten Ernte gibt den Leuten, die mit der Synagoge oder der Tora wenig am Hut haben – denn da feiern wir an Schawu’ot ja den Empfang der Tora am Berge Sinai –  einen neuen, aber oh so alten Inhalt.

In progressiv-jüdischen Kreisen in denen der Wiederaufbau eines Tempels abgelehnt wird, bleibt der Text ganz einfach Toratext. Das macht ihn aber, meiner Meinung nach, nicht zum Ausradieren verdammt. Wir sehen den ganzen Toratext als unsere Erbschaft. Wir streichen nichts daraus (stellen Sie sich vor, was übrig bleiben würde, wenn wir alles streichen, was heute keine Relevanz mehr hat). Anstatt Texte auszuschneiden, zu ignorieren oder zu überspringen, setzen wir uns damit auseinander. Wir dürfen, ja sollten, äusserst kritisch mit Auffassungen, Ansichten, Aufträgen oder Hinweisen in der Tora umgehen, die unserer heutigen Moral widersprechen. Die Ernteabgabe Zeremonie ist dafür lediglich ein unschuldiges Beispiel.

Schabat Schalom,
Rabbiner Reuven Bar Ephraim, JLG Zürich

Paraschat Haschawua: ki.tawo.1.j..pdf; ki.tawo.haftara.pdf



Kategorien:Gesellschaft

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