Unsere Weisen lehrten uns: Das Wort eines Menschen gleicht einer Biene. Zum einen gibt sie Honig; und zum anderen besitzt sie einen Stachel, mit dem sie einer Person unangenehmen Schmerz zufügen kann.
Thora-Parascha
Schabbat „WaJakhel“
Sidra: Schabbat Schekalim, 1. Sefer Schemot 37:10-38:20, 2. Sefer Schemot 30:11-16
Haftara: 2. Könige 12, 1-17
Wajakhel-Psalm 61
Freiwillige LeistungenZur Errichtung des Heiligtums in der Wüste haben viele Frauen und Männer beigetragen. Die Tora zählt auf, welche Leute welche Leistungen erbrachten, und zwar auf freiwilliger Basis (siehe Schemot 35, 21-29). Die Künstler, die das heilige Werk in Angriff nahmen, sprachen zu Mosche: „Das Volk bringt mehr als zur Genüge für den Dienst des Werkes, das der Ewige geboten hat zu machen“ (Schemot 36, 5). Die Freigiebigkeit des Volkes musste am Ende begrenzt werden (Schemot 36, 6 und 7).
In Psalm 61, der dem Wochenabschnitt Wajakhel zugeordnet wurde, ist ebenfalls von freiwilligen Leistungen die Rede, die allerdings nichts mit dem Bau der Stiftshütte zu tun haben. An zwei Stellen spricht der Psalmist von Gelübden (hebr.: Nedarim). Was sind Nedarim? Es handelt sich um Verpflichtungen, die ein Mensch freiwillig auf sich nimmt. In der Tora heisst es: „Wenn du unterlassest das Geloben, so wird an dir nicht Sünde sein. Was aber Deine Lippen geäussert, sollst Du achten und durch Tat erfüllen, wie du gelobt dem Ewigen, deinem Gott, die freiwillige Gabe, die du mit deinem Munde ausgesprochen“ (Dewarim 23, 23 u. 24).
In Vers 6 unseres Psalmes lesen wir: „Denn Du, Gott, hast meinen Gelübden Gehör zugewandt.“ A. Chacham erklärt, dass der Psalmist Gott anfleht, die Nedarim zu erhören, die er für den Fall gelobt hat, dass Gott seine Bitten erfüllen wird. Wir erfahren hier jedoch nicht, welche konkreten Verpflichtungen der Psalmist auf sich genommen hat. Aus Vers 9 können wir jedoch entnehmen, dass er versprochen hat, den Ewigen täglich zu rühmen: „So will ich lobpreisen deinen Namen ewiglich, zu bezahlen meine Gelübde Tag für Tag.“
In der Regel sind Nedarim zu vermeiden (siehe meine Ausführungen in: Tora-Gedanken, S. 18 f). Daher drängt sich die Frage auf, warum der Psalmist ein Gelübde gemacht hat. Die Antwort lautet: Der Psalmist bittet um Errettung aus der Not (Verse 2 bis 5), und in einer solchen Situation darf man ausnahmsweise Nedarim machen (Schulchan Aruch, Jore Dea, 203,5). (Von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)
Sidra
Das Gute sammeln
Der Name der dieswöchigen Sidra Wajakhel basiert auf der Wortwurzel קה“ל, Kof-He-Lamed, und bedeutet ‘sammeln’. Auch das Wortקהילה Kehila, Gemeinde oder Versammlung, führt auf diese Wortwurzel zurück. In der letztwöchigen Sidra Ki Tissa haben wir es mit einer reflektiven Form von ‘wajakhel’ zu tun, und zwar ‘wajikahel’, sich sammeln (Schemot 32,1). Die Israeliten versammeln sich vor Aharon und fordern, da sie nicht mehr glauben, dass Mosche vom Berg Sinai zurückkehren würde, einen tastbaren Gott. Aharon kassiert, wie wir wissen, das Gold ein, das die Israeliten aus Ägypten mitgenommen hatten und fertigt ihnen das berühmte ‘goldene Kalb’ an. Die Versammlung führt zu einer Katastrophe. Gottes Zorn über das goldene Kalb kostet dreitausend Israeliten das Leben.
Der deutsche Rabbiner Benno Jacobs (1862-1945) sieht einen relevanten Unterschied zwischen den beiden Textstellen. Ki Tissa geht von ‘wajikahel’, sie versammelten sich, einer Drohung gegenüber Aharon und einer Rebellion gegen Gott aus. In der dieswöchigen Sidra jedoch (ver)-sammelt (wajakhel) Mosche das Volk zum Startschuss des grossen Bauprojektes, dem Bau des Mischkan (Stiftzeltes). Dieses ‘sammeln’ birgt keine Rebellion gegen Gott in sich, sondern ganz im Gegenteil, zeigt Ehrfurcht gegenüber Gott.
Gruppen, Gemeinschaften und Gemeinden können sich versammeln (wajikahel), d.h. zusammenkommen mit einer negativen Absicht, die der Zukunft einer Gruppe oder Gemeinschaft Schaden bringen kann.
Gruppen können aber auch ‘gesammelt’ (wajakhel), d.h. zusammengebracht werden, um mit positiver Energie den besten Weg in die Zukunft zu suchen. In einer solchen Versammlung hört und diskutiert man und versucht einander zu verstehen. In dieser Variante soll die Realität der Situation mit offenen Augen und ungeschönt signalisiert und analysiert werden, damit Massnahmen getroffen werden können, um eine eventuell ungewollte Situation in die erwünschte Richtung zu lenken. Wenn sich dies im Geist des positiven ‘wajakhel’ abspielt, im Geist Mosches, der den Israeliten Gott nahebringen wollte, winkt eine dauerhafte und vor allem harmonische Zukunft.
In dem an diesem Schabbat Schekalim zugefügten Abschnitt lesen wir, dass es in einer Gemeinschaft auch eine harte Realität gibt. Es ist der Schabbat vor dem neuen Monat Adar II, der Monat, in dem von jeder Person über 20 verlangt wurde, einen halben Schekel für die Erhaltung des Heiligtums ins Heiligtum zu bringen.
Für mich steht ‘wajakhel’ für eine Gemeinde, die sich dank den Beiträgen der Mitglieder und grosszügigen Spenden weiterentwickeln kann, aber in gleichem Mass für eine Gemeinde, die sich gegen Negativität wehrt, eine Gemeinde, die sich Gott oder anders gesagt, dem Guten widmet. Bei Licht gesehen, steht ‘wajakhel’ für eine Gemeinde, die einer Zukunft nacheifert, die für die Gemeinschaft und die Mitglieder stimmt, ein Or Chadasch, in der das Licht Freude und Wärme bringt. Dazu müssen allerdings Freude und Wärme ‘gesammelt’ werden.
Schabbat Schalom,
Rabbiner Ruven Bar Ephraim, JLG Zürich
Paraschat Haschawua wajakhel.schekalim; schabbat.schekalim.haftara
Kategorien:Gesellschaft
Kommentar verfassen