Warum Israel nun doch keine Waffen für die Schweizer Armee liefern will


Der israelische Hersteller verzichtet darauf, sein Produkt David’s Sling (im Hintergrund) der Schweiz anzubieten.

Bei der Beschaffung bodengestützter Luftabwehrsysteme (Bodluv) verzichtet der israelische Hersteller überraschend darauf, sein Produkt David’s Sling der Schweizer Armee anzubieten. Offenbar kämpfen die Amerikaner mit harten Bandagen.

Da waren es nur noch zwei. Während auf dem Militärflugplatz Payerne die Kampfjet-Tests wie geplant über die Bühne gehen, kam es an anderer Stelle des 8 Milliarden Franken teuren Beschaffungsprojekts Air2030 bereits zu ersten Weichenstellungen. Von den ursprünglich drei angeschriebenen Anbietern bodengestützter Luftabwehrsysteme (Bodluv) haben nur zwei eine Offerte eingereicht. Der israelische Hersteller Rafael Advanced Defense Systems verzichtet darauf, sein Produkt David’s Sling der Schweizer Armee anzubieten. Dieser Rückzug kam überraschend. Das System ist eines der modernsten auf dem Markt. Seit 2017 schützt es im Verbund mit zwei weiteren Luftabwehrsystemen Israel gegen Bedrohungen aus der Luft. 2018 hatte es seinen ersten Einsatz.

Dass es im Hintergrund Probleme gab, zeichnete sich bereits im Februar ab. Dannzumal organisierte der Bund eine Kontaktveranstaltung mit dem Ziel, die drei Bodluv-Hersteller mit der Schweizer Industrie zusammenzuführen. Genau wie bei den Kampfflugzeugen sind auch hier Gegengeschäfte, sogenannte Offsets, vorgesehen. «Die Firma Rafael präsentiert sich aufgrund eines verzögerten Bewilligungsverfahrens zu einem späteren Zeitpunkt», hiess es Mitte Februar in einer Medienmitteilung der Armasuisse beiläufig. Aus dieser Präsentation ist jedoch nie etwas geworden. Ende März teilte die Armasuisse schliesslich das definitive Ausscheiden der Israeli aus dem Rennen um den gegen 1,5 Milliarden Franken teuren Auftrag mit.

Das grosse Rätselraten

Über die Hintergründe dieses Entscheids ist von den offiziellen Stellen bis heute nur wenig zu erfahren. Die Armasuisse verwies im März auf den Hersteller Rafael Advanced Defense Systems, dieser wiederum auf das israelische Verteidigungsministerium. Eine Antwort auf die Frage, weshalb sich Rafael so plötzlich aus dem Rennen nahm, war aber auch vom Ministerium nicht zu erhalten. Die Schweiz sei ein «wichtiger strategischer Partner», man lege grossen «Wert auf die Zusammenarbeit» zwischen den beiden Ländern, hiess es stattdessen im Schreiben der Regierungsstelle. Die Schweizer Armee greift tatsächlich gerne auf israelische Rüstungsgüter zurück. So stammen beispielsweise auch die neuen Aufklärungsdrohnen im Wert von über 250 Millionen Franken, von denen noch dieses Jahr eine erste Teillieferung über die Bühne gehen soll, aus Israel. Zumindest was die bodengestützte Luftverteidigung angeht, wird es nun aber zu keiner schweizerisch-israelischen Kooperation kommen.

Ein Hauch von «America first»

David’s Sling ist ein Gemeinschaftsprodukt von Rafael Advanced Defense Systems und der amerikanischen Rüstungsschmiede Raytheon. Letztere ist im Rennen um eine neue bodengestützte Luftverteidigung mit einem eigenen Produkt vertreten. Raytheons System Patriot ist schon länger auf dem Markt und kommt ausserhalb der USA noch in 16 Staaten zur Anwendung. Zuletzt reüssierte Raytheon mit dem Produkt in einem Bieterwettbewerb in Polen, das sich angesichts der sich seit Jahren zuspitzenden Sicherheitslage im Osten mit einer umfassenden Flugabwehr ausstattet. Genau wie in der Schweiz auch war Rafael mit seinem David’s-Sling-System mit im Rennen – zog sich dann aber aus dem Wettbewerb zurück.

Dieses Ausscheiden der Israeli ist allem Anschein nach auf Drängen amerikanischer Regierungsstellen geschehen. So berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Beamte des israelischen Verteidigungsministeriums, dass es von amerikanischer Seite her Druck gegeben habe. «Wir können nicht alles verkaufen, was wir wollen», liessen sich diese anonym zitieren. Die USA bestritten dazumal die Vorwürfe, sie stünden hinter dem Rückzug von Rafael. Man liess jedoch durchblicken, dass man es gerne sehe, wenn das Nato-Mitglied Polen amerikanische Produkte kaufe. Einen gewissen Kompromiss zugunsten der Israeli gab es dennoch. So werden die Polen für ihre Patriot-Batterien nebst den Standardraketen von Raytheon auch sogenannte SkyCeptors erstehen. Diese Raketen sind eine Variante der Stunner-Raketen, die standardmässig bei David’s Sling vorgesehen sind. Und sie sind wesentlich kostengünstiger als die regulären Patriot-Raketen.

Weniger Konkurrenz

Dass das Ausscheiden von David’s Sling aus der Schweizer Evaluation ebenfalls auf Geheiss der Amerikaner geschah, ist vor diesem Hintergrund wahrscheinlich. So berichten auch einschlägige Branchenportale mit Bezug auf israelische Quellen, dass es ein Veto aus Washington gegeben habe. Dabei sei das Produkt auf die betrieblichen Anforderungen der Schweiz perfekt zugeschnitten, wie es offenbar von Schweizer Seite in inoffiziellen Gesprächen mit dem Hersteller geheissen hat. Auch die Variante mit den SkyCeptors, wie sie Polen nun fährt, kommt für die Schweiz offenbar nicht infrage. Denn wie Armasuisse auf Anfrage schreibt, sollen «die Systeme grundsätzlich der Konfiguration entsprechen, wie sie im Herstellerland im Einsatz stehen bzw. eingeführt werden».

Rafael gehört mehrheitlich dem israelischen Staat, was es den Amerikanern erleichtert, Einfluss auf die Exportpraxis der Unternehmung zu nehmen. Inwiefern wirtschaftliche Überlegungen hinter dem Rückzug stehen oder gar Sicherheitsbedenken, ist nicht klar. Mit dem Rückzug von Rafael sind jedoch die Chancen für den amerikanischen Hersteller Raytheon deutlich gestiegen. Nebst dessen Patriots ist noch immer das SAMP/T-System von Eurosam, einem Gemeinschaftsprojekt der europäischen Rüstungsunternehmen MBDA und Thales, im Rennen. Seit Anfang Mai werden die zwei Bodluv-Lösungen von Teams des Verteidigungsdepartements (VBS) beurteilt. Ab Mitte August werden dann die Sensoren der Luftverteidigungssysteme in der Schweiz erprobt. Dabei soll unter anderem die angegebene Leistungsfähigkeit des Radars durch Messungen überprüft werden. Auf Schiessübungen wird dahingegen verzichtet. (Michael Surber, NZZ / Bild: Amir Cohen / Reuters)



Kategorien:Sicherheit

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