Thorazitat des Tages – Thora-Parascha


tora-tWenn ein Mensch jeden Tag die Einsamkeit in einem persönlichen Gespräch mit Gott sucht, dann gibt es für Gott keinen Grund, einem Menschen irgendwelche Ängste ins Herz zu legen.

Thora-Parascha

Schabbat Schuwa „Ha’asinu -Höret“
Wochenabschnitt: 5. Mose 32,1-52
Haftara-Prophetenlesung: Hosea 14, 2-10; Joel 2,15-27

 Haasinu-Psalm 71
Gottes Wege

Den Abschiedsgesang von Mosche Rabbenu bezeichnet Rabbiner Hertz als ein lyrisches Lehrgedicht: „Mosche versetzt sich im Geist in eine lange nach seinem Tod liegende Zeit; er gibt von dort aus einen Rückblick auf Israels Geschichte und entwickelt die aus dieser Geschichte gewonnenen Lehren. Dabei gelangt er zu einer Rechtfertigung der Wege Gottes in seiner Beziehung zu Israel.“
 
Im zugeordneten Psalm 71 ist ebenfalls von der göttlichen Waltung die Rede. Der Psalmist erwähnt mehrfach (Verse 2,15,16,19 und 24) Gottes Gerechtigkeit (hebr.: Zedaka). Rabbiner Hirsch erklärt: „Zedaka ist die im Recht sich bewährende Liebe, die Liebesgerechtigkeit, die sich vor allem darin betätigt, dass, wenn ein Mensch nach dem Diktat des strengen Rechts den Untergang verdient hätte, Gott ihm durch Leidensverhängnisse zu einer solchen geistig sittlichen Neubildung verhilft, dass damit seine Vergangenheit gesühnt wird.“
 
Im Wochenabschnitt heisst es: „ Sehet jetzt,  dass Ich,  Ich es bin, und kein Gott nebenher; ich töte und belebe, verwunde, und ich heile und niemand rettet aus meiner Hand“ (Dewarim 32,39). Das folgende Bekenntnis des Psalmisten sieht aus wie eine Illustration des zitierten Verses: „Der Du mich viele und böse Nöte hast erfahren lassen, Du belebst mich wieder, und aus der Erde wogenden Tiefen führst du mich wieder hinauf“ (Vers 20).
 
Es gibt einen weiteren Berührungspunkt zwischen dem Wochenabschnitt Haasinu und Psalm 71. In der Tora steht: „Gedenket der Tage der Urzeit, erwäget die Jahre vergangener Geschlechter, frage deinen Vater, dass er dir künde, deine Alten, dass sie dir ansagen“ (Dewarim 32,7). Der Psalmist bittet um ein langes Leben, um den Nachgeborenen von Gottes Wegen erzählen zu können: „Und auch bis zum Alter und Greisenalter willst, Gott, Du mich nicht verlassen, bis ich Deinen Arm den Zeitgenossen verkündet, allen Kommenden Deine Allmacht“ (Vers 18). (Von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)likrat_schabbat

Sidra ha’asinu – schabbat schuwa

Der Fels! Vollkommen ist sein Tun, denn alle seine Wege sind recht. Ein Gott der Treue, ohne Trug, er ist gerecht und aufrecht“.[1]

Die Sidra Ha’asinu besteht zum grössten Teil aus einem Lied – obenstehender Vers ist daraus – welches Mosche den Kindern Israels vor seinem Dahinscheiden vorsingt. In wunderschönem (aber nicht so verständlichem) Hebräisch, beschreibt er, wie die Zukunft des Volkes aussieht. In Kurzfassung: Im Gegensatz zu der schönen Wortwahl, ist sein Urteil über das Volk hart und sogar sinister. Das Volk wird Gott untreu sein und deswegen von Ihm verlassen werden. Erst als das Volk in tiefster Not verkehrt, wird Gott sich ihm wieder zuwenden.

Der oben aufgeführte Vers gehört zur Liturgie der Lewaja (Beerdigung). Wenn wir uns von einer geliebten Person verabschieden müssen, Trauer unsere Seele zerreisst, wir unseren Schmerz stumm Ausschreien, sagen wir: „denn alle Seine Wege [Gottes] sind recht“. Mit diesen Worten nehmen wir das Schicksal hin, wissen, dass das Leben weiter geht ohne die geliebte Person. Sind aber alle ‚Seine Wege recht‘? Akzeptieren wir alles, was uns zustösst, alles was sich in der Welt abspielt wirklich als ‚der rechte Weg Gottes‘? Sind Naturkatastrophen und Epidemien gerechte göttliche Strafen? Sind gelungene Ernten und hohe Börsenkurse gerechte göttliche Belohnungen? Sind Kriegsverbrecher göttliche Werkzeuge? Sollte Gottes Gerechtigkeit nicht eben gerade Unrecht verhüten? Wie stellen wir uns die rechten Wege Gottes denn vor?

Für mich ist die Natur souverän. Die Kräfte der Erde reagieren nicht auf menschliches Benehmen. Noch sind Vulkaneruptionen, Überschwemmungen oder Dürre eine Strafe Gottes. Sie können aber schon eine Verbindung zum menschlichen Verhalten haben. Die Menschheit ist sich ja erst seit wenigen Jahrzehnten von ihrem Raubbau der Erde bewusst. Genau so wenig sehe ich eine terminale Krankheit als eine Strafe Gottes. Auch in dieser Situation kann es aber dennoch eine Verbindung mit dem eigenen Lebensstil geben. Denk zum Beispiel an einen Alkoholiker, der an Leberzirrhose stirbt.

Ausser der Natur ist auch der menschliche Wille souverän. Wir sind mit einem freien Willen geschaffen. Wir entscheiden selber, ob wir links oder rechts abbiegen, was wir angehen oder liegen lassen. Kein Mensch wurde von Gott beauftragt einen anderen Menschen zu ermorden. Gott kann das Morden nicht verhindern. Ebenfalls glaube ich nicht daran, dass auch nur eine Person von Gott bestraft wird, weil er / sie Schweinefleisch isst oder an Schabat arbeitet.

Was sind denn die ‚rechten Wege Gottes‘? Das Vorhaben und das Tun von dem was einem, mehreren oder tausenden Menschen gut tut ist ein ‚rechter Weg Gottes‘. Das Einsehen der Folgen des eigenen Benehmens und die Verantwortung dafür tragen; das milde (sofern möglich) Beurteilen von Menschen, als wäre man sozusagen an seiner / ihrer Stelle; das bewusste Geniessen des Momentes, ob in der Natur, bei einer Diplomüberreichung eines Kindes oder im Konzertsaal; das Können von Empfinden und Äussern von Dankbarkeit …… das alles und mehr, sind ‚rechte Wege Gottes‘. So wie jeden Weg, den man gehen will, muss man auch den ‚rechten Weg Gottes‘ suchen. Die jüdische Tradition kann dabei als Navi funktionieren, muss es aber nicht.

Schabat Schalom,
Rabbiner Reuven Bar Ephraim,  JLG Zürich

[1] Dewarim [5.BM] 32, 4.



Kategorien:Gesellschaft

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