Heim nach Jerusalem


Victims_Paris

Das Online-Portal Ynet war eines der ersten, die Bilder der Opfer aus dem koscheren Supermarkt veröffentlichte.

Die Familien der jüdischen Opfer der Pariser Anschläge erwägen Beerdigungen in Jerusalem. In sozialen Netzwerken wird dies als Zeichen für die Juden Frankreichs gewertet. Die Regierung in Paris versucht derweil die jüdische Gemeinde zu trösten. Und zu halten.

„Diese französischen Bürger wurden kaltblütig und ohne Gnade hingerichtet, weil sie Juden waren“, schreibt die CRIF, die Jüdische Dachorganisation in Frankreich, in einer Mitteilung.

Mindestens eines der vier jüdischen Opfer des Anschlags auf einen koscheren Supermarkt in Paris soll am Dienstag in Jerusalem beigesetzt werden. Der Vater von Joav Hattab (21) habe dies im Gespräch mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bestätigt, berichtete der israelische Rundfunk am Sonntag. Bei dem Vater Benjamin Hattab handele es sich um einen ranghohen Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Tunesien. Auch die Familien der drei weiteren jüdischen Opfer, Johan Cohen, Philippe Braham und François-Michel Saada, erwägen eine Beisetzung in Israel.

Das ist ein Zeichen der Zeit für das französische Judentum“, kommentierte der Präsident des Herzl Instituts in Jerusalem, Yoram Hazony, bei Twitter. Vor fast drei Jahren waren die Terroropfer an einer jüdischen Schule in der französischen Stadt Toulouse in Jerusalem beerdigt worden. Netanjahu forderte Juden in Frankreich angesichts der Terrorwelle in Paris zur Auswanderung nach Israel auf. „Jeder Jude, der nach Israel einwandern will, wird hier mit offenen Armen empfangen“, sagte Netanjahu am Sonntag vor seiner Abreise nach Paris. Gemeinsam mit Aussenminister Avigdor Lieberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett will er dort an einer Solidaritätsdemonstration teilnehmen. „Der radikale Islam bedroht die ganze Welt“, betonte der Regierungschef.

Premierminister Manuel Valls sprach den Juden in Frankreich seinen Trost aus und versicherte sie der Solidarität der Regierung. „Frankreich ohne Juden ist nicht mehr Frankreich“, sagte Valls am Samstagabend bei einem Treffen des  Rates jüdischer Institutionen in Frankreich (CRIF). Zugleich räumte er ein, dass die Juden in Frankreich seit vielen Jahren „Angst“ hätten.

Staatspräsident François Hollande empfing am Sonntag im Élysée-Palast die Spitzenvertreter der jüdischen Gemeinde des Landes. Der Grossrabbiner von Frankreich, Haïm Korsia, und der Präsident der jüdischen Dachorganisation (Crif), Roger Cukiermann, führten die Delegation an. Auch Regierungschef Manuel Valls nahm an der Begegnung teil. Sie erfolgte wenige Stunden vor dem Pariser Schweigemarsch in Gedenken an die Opfer der islamistischen Anschläge.

Die Familien und Freunde der vier getöteten Geiseln, Yohan Cohen, Yoav Hattab, Philippe Braham und Francois-Michel Saada, drückten derweil ihre Trauer und ihr Entsetzen aus: „Ich bin zerstört für den Rest meines Lebens“, schrieb die Freundin des 20-jährigen Yohan Cohen bei Facebook. „Alle unsere Pläne, alle unsere Versprechungen – wie soll ich sie einhalten ohne Dich?“

Der Student hatte seit einem Jahr im koscheren Supermarkt gearbeitet. Polizeiangaben zufolge hatte der Attentäter Amedy Coulibaly damit gedroht, einen Dreijährigen umzubringen. Bei dem Versuch, ihn davon abzuhalten, wurde Cohen von Coulibaly erschossen. Cohens Eltern waren in den 1960er Jahren aus Nordafrika nach Frankreich eingewandert, sein Vater aus Algerien, seine Mutter aus Tunesien. Erst vor einem Monat war sein Grossvater mütterlicherseits, der bekannte jüdisch-tunesische Sänger Doukha (Mordechai Haddad) in Israel beerdigt worden. Wie viele andere hatte Yohan Cohen am Donnerstag #JeSuisCharlie auf seiner Facebook-Seite gepostet und sich mit den 12 Opfern beim Anschlag auf das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ solidarisiert. Er war auf Facebook zudem mit Lassana Bathily befreundet. Der junge Muslim hatte ebenfalls in dem koscheren Supermarkt gearbeitet und hatte eine Gruppe von Geiseln gerettet, indem er sie in einen Gefrierraum versteckte.

Philippe Braham hinterlässt vier Kinder. Erst vor drei Jahren hatten der 45-Jährige und seine zweite Frau einen Sohn verloren. Braham arbeitete als Versicherungsagent in der Nähe des Supermarktes und galt als gläubiger Jude. Seine Kinder gingen in eine jüdische Schule, unweit des Supermarkts, in dem er sein Leben liess. Freunde hätten ihn als «engagiert und sehr hilfsbereit» beschrieben, schreibt die französische Zeitung „Le Parisien“. Sein Bruder ist der Rabbi der Synagoge von Pantin, ausserhalb von Paris. Seine erste Frau und sein ältester Sohn leben seit September 2014 in Israel und hatten gehofft, dass Philippe Braham ihnen mit seiner Familie folgen würde. „Wir wollen, dass er in Israel beerdigt wird. Ministerpräsident Netanjahu hat meine Schwester angerufen und versprochen, dass Philippe ein Staatsbegräbnis erhält“, sagte sein Schwager Shai Ben-David dem Online-Nachrichtenportal „Ynet“.

Yoav Hattab (21) war der Sohn eines ranghohen Rabbiners der jüdischen Gemeinde in Tunesien. Wie die „Jerusalem Post“ berichtet, ging Hattab nach Marseille zum Studieren und blieb danach im Land. Er soll in der Synagoge im Pariser Vorort Sarcelles sehr engagiert gewesen sein.

Yohan Cohen (22) wurde als stark und klug bezeichnet und ein „Herz aus Gold“ besessen haben, wie Freunde auf seinem Facebook Profil schrieben. Ausserdem soll er ein sehr ruhiger Mann gewesen sein, der nur selten böse war und immer ein Lächeln auf den Lippen trug. Er war ein Angestellter des jüdischen Lebensmittelgeschäfts. Gemäss einem Informanten der Zeitung „Jerusalem Post“ war Cohen nach dem Attentat auf das Stairemagazin „Charlie Hebdo“ sehr beunruhigt gewesen.

Francois-Michel Saada wurde in Tunesien geboren. Der 63-Jährige Pensionär hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. „Er war ein sehr rechtschaffender Mann, der immer um das Wohl seiner Familie besorgt war», so ein Freund über Saada. Er sei ein wahrer Vorzeige-Vater gewesen. Seine beiden Kinder leben in Israel.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und führende israelische Politiker haben die französischen Juden dazu aufgerufen, nach Israel auszuwandern. „Israel ist Euer Heim“, sagte Netanjahu. Alle Einwanderer werde man mit „offenen Armen“ empfangen, versprach er am Sonntag vor seinem Abflug nach Paris zur grossen Gedenkveranstaltung, wohin ihn auch Aussenminister Avigdor Lieberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett begleiteten.

Am sichersten seien die französischen Juden, wenn sie sich in Israel niederliessen, sagte Lieberman. Mit einem ähnlichen Appell hatte sich am Wochenende auch der frühere Finanzminister Jair Lapid an die jüdische Gemeinde in Frankreich gewandt. In Israel bereitete sich die Kibbuz-Bewegung darauf vor, hundert neue Einwanderer aus Frankreich aufzunehmen, um ihnen beim Start in ihr neues Leben zu helfen.

Schon vor den jüngsten Anschlägen kamen immer mehr französische Juden nach Israel, die sich in ihrer alten Heimat nicht mehr sicher und willkommen fühlten.

(Quellen: Ynet / ntv / Agenturen / Bearbeitung JNS)



Kategorien:Politik

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