König David sprach einst zu Gott: „Leite mich durch Deinen Rat“ (Psalm 73, Vers 24)
Thora-Parascha
Schabbat – Rosch Chodesch „Mikez“
Lesung: 1. Mose 41,1 – 44,17; 4. Mose 7,24-29
Haftara: Secharia 2:14 – 4:7 und Jeschaja 66, 23
Mikez-Psalm 40
Stufen des GottvertrauensDer Wochenabschnitt beginnt: „Es war nach Beendigung zweier voller Jahre, da träumte Pharao, und siehe, er stand am Flusse“ (Bereschit 41,1). Was ist der Sinn dieser Zeitangabe? Eine Antwort auf die Frage, was es mit den zwei Jahren auf sich hat, finden wir im Kommentar von Raschi zum letzten Vers des vorigen Wochenabschnitts. „Es gedachte aber der Fürst der Schenke Josefs nicht, und so vergass er ihn“ (Bereschit 40,23). Raschi erklärt: „Weil Josef von ihm sich abhängig gemacht, auf ihn vertraute, dass er seiner gedenken werde, musste er noch zwei Jahre im Gefängnis bleiben, denn so heisst es Psalm 40,5: Heil dem Manne, der den Ewigen genommen zu seinem Verlass und sich nicht gewandt zu den stolzen Prahlern.“
Raschi referiert einen Midrasch (Bereschit Rabba 69,3), der viele Autoren beschäftigt hat, weil er widersprüchlich zu sein scheint: „Heil dem Manne, der den Ewigen genommen zu seinem Verlass“ – das ist Josef. „Und sich nicht gewandt zu den stolzen Prahlern“ – weil er zum Fürsten der Schenke sagte: „Und nun, so du meiner Eingedenk bleibst, wenn es dir wohl geht, so mögest du mir doch Gnade erweisen und meiner gedenken bei Pharao, dass du mich heraus bringst aus diesem Hause“ (Bereschit 40,14) wurden ihm zwei Jahre hinzugefügt. Am Anfang sagt der Midrasch, Josef sei ein Mann mit Gottvertrauen (hebr. Bitachon) gewesen; aber aus der Fortsetzung geht hervor, dass es Josef an Bitachon mangelte.
Noch eine Frage drängt sich auf: Wir dürfen uns bekanntlich nicht auf Wunder verlassen – warum wurde dann Josef bestraft, weil er etwas unternommen hat, um freizukommen? Eine Antwort, die Rabbi N. Scherman anführt, besagt, dass es mehrere Stufen des Gottvertrauens gibt. Josef hatte eine sehr hohe Stufe erreicht, und gerade deshalb wurde er bestraft, als er einen Mann um Unterstützung bat, von dem keine Hilfe zu erwarten war. Einem Menschen, der auf einer niedrigen Bitachon-Stufe steht, würde niemand für das, was Josef tat, kritisieren. (Von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)
Sidra Mikez
Träume
Manchmal wissen wir am Morgen, was wir geträumt haben, manchmal auch nicht. Träume spielen sich in der Aktualität ab oder in der Vergangenheit. Träume spiegeln unsere Ängste, Sehnsüchte oder Lüste. Aber nicht immer. Es gibt Träume, die uns erstaunen oder sogar amüsieren, da sie gar keinen Sinn machen und sich der rationalen Deutung entziehen. In den nächtlichen Träumen sind wir passiv. Sie passieren uns. Dann gibt es noch die Tagträume, in denen wir selbst die Träumer sind. Die Tagträume passieren uns nicht, umgekehrt, wir ziehen sie aktiv heran. Diese Tagträume gehen über Situationen, die wir uns sehnlichst herbeiwünschen.
Jossef, die Hauptfigur der dieswöchigen Sidra Mikez, ist bekannt wegen seiner Träume. Als Jüngling träumte er, wie seine Brüder und Eltern sich vor ihm verneigten. Die Träume haben ihn in Schwierigkeiten gebracht, weswegen er in Ägypten landete. Dort wurde er vom Träumer zum Traumdeuter. Im Gefängnis deutete er die Träume des Weinschenks und Bäckers, die am pharaonischen Hof arbeiteten. Seine Traumdeutungen wurden bewahrheitet, das heisst der Bäcker wurde erhängt und der Weinschenk ehrenvoll aus dem Gefängnis entlassen. Jossefs Fähigkeit, Träume zu deuten, sprachen sich am Königshof herum und kamen auch dem Pharao, der sich schwer tat mit zwei seiner Träume, zu Ohren.
Träumen wurden in der antiken Welt ‘Gewicht’ zuerkannt. Die Deutung eines Traumes konnte den Unterschied zwischen Krieg oder Frieden zur Folge haben. Unter dem Hofpersonal der Könige – so auch des Pharaos – befanden sich Magier und Traumdeuter. Sie waren aber nicht imstande, Pharaos Träume zu deuten. In einem Midrasch (Bereschit raba 89,60) lesen wir, dass die Traumdeuter, anstatt zuzuhören, ihre Schriften zu Rate zogen, in denen sie eine Modelerklärung zu finden hofften für schon bekannte Träume. Pharao bietet nun Jossef auf: „Von dir aber habe ich gehört, du brauchst einen Traum nur zu hören, und schon kannst du ihn deuten“ (Bereschit 41, 15). Jossef hört aufmerksam zu, achtet auf jedes Wort, jedes Detail und jede Nuance. Auf diese Weise hört Jossef die Worte pur, wodurch er in höchster Konzentration ihre sich dahinter verborgene Botschaft verstehen kann.
Zuhören ist eine wahre Kunst. Rabbiner Samson Raphael Hirsch: „Es kommt eben auf das rechte Hören an. Von Zehn, die eine Rede oder eine Geschichte hören, hört sie oft jeder anders und nur einer richtig“. „Du hörst mich nicht“, ist wohl einer der meist ausgesprochenen Vorwürfe in ehelichen Konflikten. Nicht gut zuhören kann gravierende Konsequenzen haben zwischen Individuen, Gruppen oder Staaten. Oft ist das borniert, verletzt oder beleidigt Sein der Übeltäter, der das Zuhören blockt. Vorwürfe bringen nichts. Sie bestätigen die Vorurteile, die einem das Zuhören unmöglich machen. Modelle oder Strategien bringen ebenfalls nichts. Sie kreieren einen verhängnisvollen Abstand. Nur die aufrichtige Absicht, den anderen wirklich hören zu wollen schafft die Voraussetzung, die Worte des Gesprächspartners in ihrer ganzen Fülle zu verstehen.
Schabbat Schalom, Gut Chanukka und einen guten Rutsch!
Rabbiner Ruven Bar Ephraim, JLG Zürich
Paraschat Haschawua: mikez.1.j.; schabbat.chanukka.haftara
Kategorien:Gesellschaft
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