Thorazitat – Parascha


Unsere Weisen lehrten uns: Kein Augenblick ist lebendiger als der jetzige. Kein Ort ist wichtiger als der, an dem du dich befindest. Denn hier und jetzt kann der Moschiach kommen. Jeder, der bei seinem Leid Gott einbezieht, dem verdoppelt Er seine Finanzen.“

Thora-Parascha

Schabbat „Bo“
Lesung: 2. Mose 10,1 – 13,16
Haftarah: Jeschaja 19,1-15

Bo – Psalm 77
Wunder offenbaren Gottes Machtfülle

Im Wochenabschnitt Bo lesen wir einen Bericht über die letzten drei Plagen, die Gott über die Ägypter in Ägypten brachte. Nach der Tötung der Erstgeborenen revidierte Pharao seine Position: „Und er rief Mosche und Aharon in der Nacht und sprach: machet euch auf, ziehet fort aus meinem Volke, so ihr, so die Kinder Israel, und gehet, dienet dem Ewigen, wie ihr geredet. Auch eure Schafe, auch eure Rinder nehmet, wie ihr geredet und gehet, und segnet mich auch“ (Schemot 12, 31-32).

Warum bat Pharao, auch ihn zu segnen? Raschi zitiert einen Midrasch: „Betet für mich, dass ich nicht sterbe, denn auch ich bin ein Erstgeborener!“ Rabbiner Hirsch erklärt: „Wie ihr damit für euch Segen erwirket, so erwirket auch damit für mich wieder Segen, dass alle Wunden, die mir und meinem Volke um euretwillen geschlagen wurden, wieder geheilt werden.“ Pharao, der einst gesprochen hatte: „Ich kenne den Ewigen nicht, und auch Israel lasse ich nicht frei“ (Schemot 5, 2), rechnete nun mit Gottes Macht.

Im zugeordneten Psalm 77 findet man einen Rückblick auf die Erfüllung der göttlichen Zusage: „Ich werde euch erlösen mit ausgestrecktem Arm“ (Schemot 6,6): „Hast mit Armesstreckung Dein Volk erlöst, die Söhne Jakobs und Josefs“ (Vers 16). Der Psalmist unterstreicht die Tatsache, dass Wunder Gottes Machtfülle offenbaren sollen: „Gott, im Heiligen liegt Dein Weg, wo ist eine Kraft gross wie Gott! Du bist die Kraft, Wundervollbringer! Du hast unter Völkern Deine Unwiderstehlichkeit zur Erkenntnis gebracht“ (Verse 14 und 15).

Die Bezeichnung „Wundervollbringer“ hat der Psalmist aus dem Lied am Schilfmeer übernommen, das man täglich im Morgengebet spricht. Den Tora-Vers, in dem die Bezeichnung Wundervollbringer vorkommt (Schemot 15, 11), wiederholen wir vor dem Achtzehngebet und sprechen  ihn auch täglich im Abendgebet vor der Amida. (Von: Prof. Dr. Yizhak Ahren)

Sidra Bo

Beziehung mit der Zeit

Vor der zehnten Plage, dem Tod aller ägyptischen männlichen Erstgeborenen von Menschen und Tieren, müssen die Israeliten Vorbereitungen treffen, damit der Engel des Todes an ihren Häusern vorbeiziehen werde. Das Wort ‘Pessach’ ist von dem Verb ‘überspringen’ lifsoach, ח וסלפ , abgeleitet. Die Israeliten sollen das Blut eines Lammes, d.h. des Pessach Opfers, an die Türpfosten anbringen als Zeichen für den Engel des Todes, dass in diesem Haus Israeliten wohnen. Im Rahmen der Hinweise bezüglich dem Pessach Opfer, gebietet Gott Mosche: «Dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein. Der erste von den Monaten des Jahres soll er für euch sein.» (Schemot 12, 2). Es ist die allererste Mizwa, die die Tora uns gibt. Raschi (Frankreich, 1040-1105,) meint in seinem Kommentar trocken: «Die Tora hätte erst bei den Worten «dieser Monat soll für euch der Anfang der Monate sein», anfangen sollen, da sie das erste Gebot enthalten, das Israel aufgetragen wurde.» Gleichwohl hält Raschi das erste Buch Bereschit und die ersten elf Kapitel des zweiten Buches Schemot für bedeutungsvoll, da sie Gott als Schöpfer der Welt und als ‚Eigentümer‘ der Erde vorführen, in dessen Beschaffenheit Er dem Volk das Land Israel vererbt. Darüber hinaus lernen wir im ersten Buch über unsere Vorfahren und die Frühgeschichte des Volkes Israel und im zweiten, wie die Israeliten in die missliche Lage der ägyptischen Sklaverei geraten sind.

Nach der letzten Plage wird das Volk aus dem Sklavenhaus ausziehen. Die Israeliten werden den Ort, an dem sie geknechtet und unterdrückt, und unmenschlich schwere Arbeit verrichten mussten, den Ort, an dem die Zeit für sie kein frei verfügbares Gut war, verlassen. Sie werden die ersten 40 Jahre in der Wüste weilen. Dort, in der leeren Öde, können sich die lediglich das Sklavendasein kennenden Israeliten auf ein Dasein als freie, selbständige und verantwortliche Menschen vorbereiten. Sie werden lernen, wie man ein freies Leben einrichtet und verwaltet. Die zehn Worte Gottes und im übertragenen Sinn, die ganze Tora, die ihnen während ihres Aufenthaltes in der Wüste offenbart wurden, formen die Basis einer auf sozial-ethischen Grundsätzen aufgebauten Gesellschaft von freien Menschen.

Eine der ersten Voraussetzungen für ein freies Leben ist es, mit der Abstraktion ‘Zeit’ leben und umgehen zu können. Rabbiner Owadia Sforno (Italien, 1470-1550) formuliert es in der direkten Anrede so: «Von diesem Punkt an werden die kommenden Monate eure Monate sein, um mit ihnen zu tun, wie ihr es wünscht – gemäss euren Wünschen. Im Gegensatz dazu waren während der vielen Tage eurer Versklavung eure Tage nicht eure Tage. Denn diese Tage waren der Arbeit anderer gewidmet und nach ihrem Willen. Daher ist dies der erste der Monate des Jahres für euch! Denn von diesem Punkt an beginnt eure neue Realität der freien Wahl.» Laut Sforno ist es die Verfügbarkeit über eigene Zeit, die den Menschen zu einem freien Menschen macht.

Obschon zwischen der Covid 19 Zeit und der Sklaven Zeit ein Unterschied von Tag und Nacht liegt, sind wir mit gravierenden Einschränkungen in unserem Leben behaftet. Wir können im Moment nicht frei über die Zeit verfügen, d.h. nicht frei bestimmen, wo wir wann hingehen, was wir mit wem machen und wie wir uns wo sehen lassen. An dem Tag, an dem wir von diesen für viele Leute eingreifenden Einschränkungen und der Gefahr des grillenhaften Verlaufes der Krankheit erlöst sind, wird es einen Neuanfang geben im Sinne einer ungestörten Beziehung mit der Zeit und Freunden, Verwandten und Familie.

Möge dieser Tag bald da sein.

Schabbat schalom, Rabbiner Ruven Bar Ephraim,  JLG Zürich



Kategorien:Gesellschaft

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