Die englischsprachige arabische Tageszeitung Asharq Al-Awsat, die auf vier Kontinenten in 14 Städten für die weltweite Verbreitung gedruckt wird, veröffentlichte in ihrem Editorial, dass Syrien und Iran für die Eskalation im Gazastreifen verantwortlich seien.
„Syrien und Iran haben zuerst versucht, Israel auf den Golanhöhen, über die Sinai Halbinsel oder Hisbollah im Südlibanon in eine Auseinandersetzung hineinzudrängen, aber als dies nicht gelungen ist, wandten sie sich dem Gazastreifen zu“, so schreibt Redakteur Tariq Alhomayed.
Während die arabische Welt Israels aggressive, weltweit Schlagzeilen beherrschende „Operation Wolkensäule“ im Gazastreifen heftig kritisiert, wütet in Syrien seit 20 Monaten ein blutiger Krieg. Täglich kommen in Syrien seit Beginn dieser blutigen Aufstände gegen das Assad Regime zwischen 100 bis 200 Menschen ums Leben.
Die Wurzel dessen, was heute in Südisrael und im Gazastreifen geschehe, sei der Iran und Syrien, die laut Tariq Alhomayed die Weltöffentlichkeit von dem, was in Syrien geschieht, ablenken wollen. „Die Kriege in unserer Nachbarschaft sind leider zu einer Art Wettrennen geworden, jeder Krieg überschattet den nächsten Krieg“, so Alhomayed. „Was heute in Gaza abläuft, ist eine Flucht nach vorn, mit der Hoffnung, so Baschar el Assad zu verteidigen oder zu bewirken, dass somit der Preis von Assad Sturz teurer sein wird. Die prominenten Architekten dieser Taktik sind die Iraner.“
Laut Tariq Alhomayed hat Iran bereits versucht, mithilfe von Agenten die verschiedenen Grenzzonen um Israel um Assads willen anzuheizen. „Aber weil ihnen das an der syrischen, libanesischen und ägyptischen Grenze mit Israel nicht schnell genug gelungen ist, wählten sie die Front am Gazastreifen aus, die relativ gesehen um einiges explosiver ist. Denn Gaza sei für Israel wie ein Boxsack, mit dem man seine Muskeln fit hält. Wer die Raketen im Gazastreifen abschießt, weiß, dass dies keinen Sinn und Zweck hat und dies nur einem dient, nämlich um Assads Regime in Syrien zu retten.“
35.000 Menschen sind bislang im syrischen Aufstand, der am 26. Januar 2011 ausbrach, ums Leben gekommen. Wie viele Palästinenser sind im Konflikt mit Israel in den letzten 20 Jahren während der Osloer Verhandlungen ums Leben gekommen? Gemäß der linksliberalen israelischen Menschrechtsorganisation Be´Tezelem nicht mehr als 9.500 Menschen. Obwohl die arabische Bevölkerung in ihren Ländern viel mehr unter ihren eigenen Regierungen leiden, wird ständig nur das Leid der Palästinenser hervorgehoben, dessen Führung, egal ob Hamas oder Fatah, die jüdische Existenz in Israel nicht anerkennen will.
Israel ist in den Augen der Palästinenser ein Feind und dennoch hat Israel vor und während der Angriffe 200.000 Flugblätter in arabischer Sprache über dem Gazastreifen abgeworfen, 40.000 telefonische Warnanrufe nach Gaza getätigt und 12.000 SMS-Textbotschaften mit Warnungen vor Luftangriffen geschickt. Dies, um Leben in der palästinensischen Zivilbevölkerung zu schonen. So hat sich kein arabisches Regime je gegenüber seinem eigenen Volk verhalten, die in den letzten zwei Jahren im Volksaufstand gestürzt wurden.
Übersetzter Text von Tariq Alhomayed, Herausgeber der in London erscheinenden Zeitung „asharq alawsat“:
Unglücklicherweise gibt es in unserer Region mittlerweile so etwas wie ein Wettrennen der Kriege, das heisst, jeder Krieg dient dazu, einen anderen zu überdecken. Mit anderen Worten sind diese Kriege nichts anderes als eine Flucht nach vorn. Daher ist auch das, was gerade im Gazastreifen passiert, eine Flucht nach vorn, vor allem in der Hoffnung, [den syrischen Präsidenten] Assad zu retten oder zumindest sicherzustellen, dass die Kosten dafür, ihn zu stürzen, für alle höher sein werden. Der grösste Architekt solcher Kriege ist der Iran, so etwa mittels der unbemannten Ayoub-Drohne und der ungezählten Versuche auf der Halbinsel Sinai.
Als die Front in den Golanhöhen sich für Assad und den Iran nicht schnell genug bewegte, haben sie sich an die Gaza-Front gehalten, da diese viel schneller in Flammen gesetzt werden kann, weil das auch für Israel einfacher ist.
Für Israel ist der Gazastreifen wie ein Sandsack, den man für Training und zum Muskelaufbau nutzen kann, während durch einen Erfolg im Gazastreifen mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen würden. Im Gazastreifen ist Tel Aviv in der Lage, die Hamas zu zerschlagen und Ägypten und Mursi blosszustellen, der in jedem Fall der grösste Verlierer dieses Kampfes sein wird, egal, was er tut. Denn wenn Mursi politisch siegt, verliert er seine Popularität und umgekehrt – falls dem ägyptischen Präsidenten nicht irgendein politisches Wunder gelingt, dass seine Cleverness zeigt. Doch er hat nicht wirklich eine Wahl. Was Israel betrifft, so ist ein Angriff auf den Gazastreifen eine starke Botschaft an Assad und stutzt dem Iran die Flügel, vor allem, wenn es zu einem israelischen Angriff auf den Iran kommen sollte. Vor allem anderen vergrössert ein Angriff auf den Gazastreifen die Chancen Netanyahus bei den anstehenden Wahlen.
Was ist nun aber mit Syrien? Nun, die beste Lösung dafür, den Krieg – oder die Luftangriffe – im Gazastreifen zu beenden, ist es, zum Thema Syrien zurückzukehren. Denn wer immer auch für den Abschuss der selbstgemachten Raketen aus dem Gazastreifen verantwortlich ist, war sich dessen vollkommen bewusst, dass es kein Gleichgewicht gibt. Der einzige Zweck war, Assad zu retten, dessen Tage gezählt sind; seine Absetzung wartet schon um die Ecke auf ihn! Es ist auch ein Krieg, der die arabischen Akteure ablenken soll – und wir haben heute gesehen, wie sie einander überbieten.
Die Araber konnten daher eine fundamentale Frage nicht stellen, die da heisst: Wer hat die Gaza-Front angezündet? Und warum jetzt? Dies ist eine essentielle Frage, vor allem, da [Hisbollah-Chef] Hassan Nasrallah die Araber dazu aufruft, Druck auf die USA auszuüben, um der Aggression ein Ende zu setzen. Warum also verlangt Nasrallah nicht von den Hintermännern des Iran im Gazastreifen, damit aufzuhören, den Gazastreifen ins Ungewisse zu stürzen? Warum haben er und der Iran nicht von Assad verlangt, die Gewalt gegen das syrische Volk zu beenden? Es geht hier nur darum, einander zu überbieten, und alle machen mit.
Was ich sagen möchte, ist: Wer weiss schon, was passieren wird? Die Geister könnten sich schnell gegen den Zauberlehrling richten: Wenn die bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen, einschliesslich der Hamas, nicht weiter kämpfen wollen, weil sie es nicht können; wenn Israel seine Aggression nicht weiter fortsetzen möchte, weil es glaubt, dass es schon viel erreicht hat, und das auf verschiedenen Ebenen. Und was das Ägypten Mursis betrifft, will oder kann es diese Krise nicht ertragen, noch möchte die internationale Gemeinschaft das.
Daher ist der beste Weg so schnell wie möglich Gaza zu verlassen und sich Syrien zuzuwenden, da das Feuer aus und in Gaza das Ergebnis eines Funkens ist, der von Assad entzündet wurde. Nun mögen sich also die selbstgerufenen Geister gegen den Zauberlehrling wenden, besonders, da ohnehin alle von der Bedrohung überzeugt sind, die das Assad-Regime darstellt und von der Notwendigkeit, es zu stürzen. Die Lösung für den Gazastreifen ist die Rückkehr nach Syrien und die Beschleunigung des Sturzes des kriminellen Regimes des Tyrannen von Damaskus.
Kategorien:Nahost
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