Nicht Raketen, aber extrem hohe Preise halten Touristen fern.
Erste Prognosen rechneten mit bis zu 18’000 Touristen, die sich die Halbfinals und den Final des diesjährigen, vom 14. bis zum 18. Mai in Israel stattfindenden Eurovisions-Wettbewerb direkt vor Ort anschauen würden. Heute sind die Vorhersagen auf 5000 bis 7000 fremde Gäste gesunken. Für diesen Rückschritt ist laut israelischen Medienberichten nicht etwa die viel zitierte Sicherheitslage des Landes, einschliesslich der besonderen Raketengefahr, verantwortlich sondern etwas viel prosaischeres: Die im Vergleich zu früheren Veranstaltungen gleicher Art und des generell im internationalen Vergleich überhöhten Preisniveaus des israelischen Fremdenverkehrs. Die Zeitung «Haaretz» stellt sich und den Lesern die Frage, ob Israel im Zusammenhang mit der Eurovision nicht die Chance vergeben habe, tausende von Touristen anzuziehen. Konkret steht der Tourismussektor vor folgenden harten Fakten: Ein Flug von Europa nach Israel ist teurer als ein Zugticket von einem Staat in den anderen auf dem Kontinent. Auch die Hotels in Tel Aviv, wo der Wettbewerb über die Bühnen geht, sind sehr kostspielig. Erst kürzlich senkten die Luxusherbergen angesichts der schleppenden Nachfrage ihre Zimmerpreise um bis zu 70%, doch dieser Rettungsversuch um fünf vor Zwölf dürfte wahrscheinlich zu spät gekommen sein. Auch die Preise, die von Journalisten gefordert werden – es werden rund 1500 Berichterstatter erwartet – lösen höchstens noch Kopfschütteln aus. Laut «Haaretz» kostete ein Eurovisions- Package-Deal für Medienschaffende letztes Jahr 350 Euros. Eingeschlossen waren alle drei live übertragenen Anlässe. In Israel soll das gleiche Paket fast 1000 Euro kosten. Heute Montagmorgen steigt der zweite Probentag. Wegen der fragwürdigen Preispolitik dürften nur wenige dutzend der 500 verfügbaren Plätze besetzt sein. Freundliche Worte fanden israelische Zeitungen für den Schweizer Sänger Luca Hänni, der für seinen Song «She Got Me» lauten Applaus an den Proben erhielt. Eine wohltuende Abwechslung, wie ein Journalist schrieb, zur sonst herrschenden Stille.
Wenn schon die Preispolitik am diesjährigen Eurovisions-Wettbewerb wohl wenig Positives für das Image des Jüdischen Staates leistet, gibt die Tel Aviver Stadtverwaltung sich alle erdenkliche Mühe, den Stimmungspegel zu heben. Journalisten und Bloggers werden zu unentgeltlichen Reisen im Lande während der nächsten zwei Wochen eingeladen, die Radiostation KAN gibt den Medienschaffenden Gratis-Bustickets, damit die Gäste sich leichter in Tel Aviv und Umgebung bewegen können. Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer. Man kann also nur hoffen, dass letzten Endes auch für die Eurovisionswoche in Israel der Spruch gilt, der so alt ist wie der Staat: Wer in Israel nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.
Kategorien:Kultur
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