Deutsche Partnerstädte verweigern angegriffenen Israelis öffentliche Solidarität


Die Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert Berliner Bezirke auf, Solidarität mit ihren Partnerstädten in Israel zu zeigen, die von Gaza aus beschossen werden. Die bisherige Bilanz ist dürftig.

Der jüngste Raketenhagel aus dem Gazastreifen traf vor allem Städte im Süden Israels, darunter Aschkelon, Aschdod und Sderot. Wie viele andere unterhalten die betroffenen Städte Partnerschaften zu Städten, Gemeinden und Bezirken in Deutschland: Aschkelons Partner ist der Berliner Bezirk Pankow, Aschdod unterhält Beziehungen zu Berlin-Spandau, und Sderot ist die Partnerstadt des Hauptstadt-Bezirks Steglitz-Zehlendorf.

Doch weil aus den Partnerbezirken keine öffentliche Positionierung zu den Angriffen mit mehreren Toten zu hören war, wandte sich die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) nun an die Bezirksbürgermeister und an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).

„Wir vermissen klare Aussagen aus Berlin zu diesen menschenverachtenden Attacken, wir vermissen Solidaritätsbekundungen aus Berlin und aus den Bezirken, die partnerschaftlich mit den am meisten betroffenen Orten in Israel verbunden sind“, heisst es in einem Schreiben von Jochen Feilcke, Vorsitzender der DIG Berlin und Brandenburg, das WELT vorliegt. „Wir Deutschen und besonders wir Berliner müssen an der Spitze der Israelfreunde stehen“, schreibt Feilcke. „Deshalb bitten wir Sie eindringlich: Bekunden Sie gegenüber dem Staat Israel und gegenüber den Partnerstädten Ihre volle Solidarität und senden Sie Delegationen der Freundschaft in die Partnerstädte!“

Tatsächlich war von den Bezirksbürgermeistern bislang nichts zu hören. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich (Linke), ein Parteifreund des Pankower Bürgermeisters Sören Benn, twitterte am Sonntag: „In unserer Pankower Partnerstadt Ashkelon sind zwei Menschen ihren Verletzungen nach dem massiven Raketenbeschuss aus Gaza erlegen. Die Angriffe müssen enden!“

Es ist dann auch Sören Benn, der als Erster auf den Brief von Jochen Feilcke reagiert. Er habe dem Bürgermeister von Aschkelon persönlich sein Beileid übermittelt und Solidarität bekundet, erklärt er. Auf WELT-Anfrage fügt er hinzu, dass dies auch viele Menschen in seinem Bezirk täten, und das sei geeigneter „als jede öffentliche Bekundung“.

Im vergangenen Jahr, während der gewaltsamen Palästinenser-Proteste am Grenzzaun zu Israel, habe er die Partnerstadt besucht. „Wir haben uns über die Sicherheitsarchitektur informiert, einen Kibbuz in Sichtnähe zu Gaza besucht und konnten uns einen Eindruck von der Komplexität des Lebens in diesem Spannungsfeld verschaffen.“

Eine Sprecherin der Bürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, Cerstin Richter-Kotowski (CDU), gesteht ein: „Zu den aktuellen Geschehnissen in Sderot sind bisher keine Solidaritätsaktionen oder -reisen geplant.“ Kommunalpolitiker hätten die Partnerstadt in der Vergangenheit aber immer wieder „in besonders schwierigen Zeiten“ besucht.

Das Bezirksamt habe zudem eine öffentliche Informationsveranstaltung unter dem Motto „Sderot – wie geht es weiter?“ organisiert, bei welcher der damalige Gesandte der Botschaft Israels über die aktuelle Lage in Sderot berichtet und Fragen des Publikums beantwortet habe. Im gleichen Jahr sei in ihrem Bezirk der Sderotplatz eingeweiht worden, unter Teilnahme offizieller Gäste aus Sderot und der zweiten israelischen Partnerstadt des Bezirks, Kiriat Bialik.

Beides ist allerdings zehn Jahre her. „Da sich Frau Bezirksbürgermeisterin Richter-Kotowski aktuell im Urlaub befindet, geht in diesen schweren Zeiten den Repräsentanten der Stadt Sderot eine Bekundung unserer Solidarität schriftlich durch den stellvertretenden Bezirksbürgermeister Michael Karnetzki zu“, lässt die Sprecherin wissen.

„Nahostkonflikt ist sehr komplex“

Auch aus dem Bezirk Spandau ist bisher nichts Öffentliches gekommen. Aber, sagt Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD), er habe am Dienstagmorgen in einem Brief an seinen Amtskollegen in Aschdod sein Beileid bekundet. Mehr werde man als Kommune nicht tun können. „Der Nahostkonflikt ist sehr komplex. Da kann man nicht mit Schuldzuweisungen arbeiten und sich einseitig auf eine Seite stellen.“ Künftig wolle man aber die momentan auf Eis liegende Schulpartnerschaft wieder aufleben lassen.

Der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde Berlin, Sigmount Königsberg, sagt WELT: „Ich würde mich sehr freuen, wenn es nicht nur zu verbalen Bekundungen käme, sondern auch Taten folgten.“ Beispielsweise könnten Kinder aus den beschossenen Partnerstädten Sderot, Aschkelon und Aschdod zu bezirklichen Sommerferiencamps nach Berlin eingeladen werden, schlägt er vor.

Elio Adler, Vorstandsvorsitzender der „WerteInitiative – jüdisch-deutsche Positionen“, sagt: „Wann sind Partnerstädte gefragt, Partnerschaft, Solidarität und Unterstützung zu zeigen? In Stunden wie diesen!“ Die Situation sei bei aller Komplexität eindeutig. „Die Hamas und der Islamische Dschihad beschiessen Israels Zivilisten. Hier nicht klar Partei zu ergreifen wäre nicht nachvollziehbar.“

Am vergangenen Wochenende hatten militante Palästinenser Hunderte Raketen auf Israel abgeschossen und dabei insgesamt vier Zivilisten getötet und viele weitere verletzt: Zuletzt starb am Sonntag ein 21-jähriger Mann in Aschdod. In Aschkelon wurden zwei Menschen getötet, ein vierter wurde nahe Sderot in seinem Wagen getroffen und starb später im Krankenhaus. Nach palästinensischen Angaben kamen bei israelischen Gegenangriffen mehr als 20 Menschen ums Leben.

Insgesamt unterhalten rund 90 deutsche Städte, Gemeinden und Bezirke Beziehungen zu israelischen Pendants.

Martin Niewendick , Welt



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