Massenprotest gegen Immunität für Netanjahu


Proteste gegen Netanjahu in Tel Aviv. (Keystone)

Zehntausende demonstrieren in Tel Aviv gegen ein Gesetz, dass Israels Premier vor Strafverfolgung schützen soll.

Zur Demonstration am Samstagabend hatten unter anderem das oppositionelle Mitte-Bündnis Blau-Weiss von Ex-Militärchef Benny Gantz sowie Bürgerrechtsorganisationen aufgerufen.

An den Protesten nahmen fast alle oppositionellen Parteien der zersplitterten Politlandschaft teil. Beobachter schätzten den Aufmarsch auf rund 20’000 Menschen, die Organisatoren gaben die Beteiligung mit 80’000 an.

Um eine Anklage zu verhindern sowie der Strafverfolgung in mehreren Korruptionsfällen zu entgehen, wollte Benjamin Netanyahu ein Gesetz durchsetzen, das Abgeordneten automatisch Immunität verleiht. Bisher kann diese nur einzeln beantragt und von einem Ausschuss der Knesset gebilligt werden. Er könnte damit nicht angeklagt werden, während er im Amt ist.

Die rechten Parteien einigten sich jedoch auf einen Vorschlag, das höchste Gericht zu entmachten. Dem rechten Lager sind die Entscheide des Gerichts seit langem ein Dorn im Auge, weil es oft ihre Vorstösse zur Legalisierung von Siedlungen und anderen rechten Bestrebungen kassiert. Gemäss dem Gesetzesvorschlag hätte künftig die Knesset das letzte Wort.

Bei den Protesten gegen die Entmachtung des obersten Gerichts verglichen viele Demonstranten den Vorstoss mit der Untergrabung des Rechtsstaats durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Einige trugen den roten osmanischen Fes, andere hielten ein Banner mit dem Konterfei von Erdogan in die Höhe. «Wir lassen nicht zu, dass du wie Erdogan wirst», sagte Yair Lapid von der Oppositionspartei Blau-Weiss an die Adresse des amtierenden Regierungschefs. «Wir wollen keinen türkischen Diktator.» Im Gegensatz zur Türkei hat Israel eine funktionierende Gewaltenteilung.

Netanjahu drohen in drei Fällen Anklagen. Die Vorwürfe lauten Bestechlichkeit sowie Betrug und Untreue. Es geht um den Verdacht der Beeinflussung von Medien und teure Geschenke befreundeter Milliardäre. Netanjahu streitet alle Vorwürfe ab. Der Generalstaatsanwalt hat eine für Juli geplante Anhörung Netanjahus laut Medienberichten in dieser Woche auf 2. und 3. Oktober verschoben.

Israel hatte am 9. April ein neues Parlament gewählt. Der Likud erhielt bei der Wahl 35 von 120 Sitzen im Parlament, genau so viele wie Blau-Weiss. Insgesamt hat das Lager rechter und religiöser Parteien allerdings eine Mehrheit.

Netanjahu hat noch bis Mittwoch Zeit, eine Regierungskoalition zu bilden. Gelingt ihm dies nicht, kann Rivlin einem anderen Kandidaten entweder von Netanyahus Likud-Block oder einer anderen Partei den Regierungsauftrag erteilen. Das will der politische Überlebenskünstler aber offenbar verhindern. Die Alternative wäre eine Minderheitsregierung, die freilich wenig stabil wäre, und Netanyahu schliesst dies bis jetzt aus.

Er unternehme einen letzten Versuch, eine rechtsgerichtete Regierung zu bilden, um «unnötige Wahlen» zu verhindern, sagte Netanyahu in einem auf seinem Twitter-Account veröffentlichten Video. Er habe einen Kompromissvorschlag vorbereitet, der auf den Prinzipien und Daten der Armee beruhe. Es gebe keinen Grund, diesen Vorschlag abzulehnen. Liebermans Partei hatte bereits die vorgezogenen Neuwahlen im April nötig gemacht. Auch jetzt Lieberman zeigte Netanyahu die kalte Schulter und blieb einer für den Abend vorgesehenen Sitzung fern. Es gebe nichts zu diskutieren, sagte Lieberman. Die Haltung seiner Partei sei klar, die Knesset soll über Neuwahlen abstimmen.

(JNS und Agenturen)

 

 



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