Vorkämpferin der Arbeiterbewegung, Blumen für Rosa Luxemburg


Vor 100 Jahren wurde Rosa Luxemburg ermordet – ihren Kampf für ihre marxistischen Ideale musste sie mit dem Leben bezahlen.

Noch keine 18 Jahre alt war Rosa Luxemburg, als sie im Februar 1889 in Zürich eintraf. Die eigenwillige Polin aus Warschau hatte sich schon als Gymnasiastin der sozialistischen Arbeiterbewegung angeschlossen und in illegalen politischen Zirkeln engagiert. Nach bestandenem Abitur musste die aufmüpfige Jüdin aus Warschau fliehen – vor einer drohenden Verhaftung wegen der Mitgliedschaft in einer regierungsfeindlichen Gruppe rettete sie sich in die Schweiz. Die Zürcher Universität zählte damals zu den erst wenigen Hochschulen Europas, an denen auch Frauen studieren konnten. Zwar schrieb sich die wissbegierige und vielbegabte junge Emigrantin, die als Rosalia Luksemburg am 5. März 1871 in Zamość in Russisch-Polen zur Welt gekommen war, zunächst für das Studium der Naturwissenschaften ein, hatte sie sich doch von jeher für Mathematik, Zoologie und insbesondere für Botanik interessiert. Ab 1892 wandte sie sich jedoch mehr den Fächern Nationalökonomie, Philosophie und Rechtswissenschaft zu. An der Philosophischen Fakultät der Zürcher Universität besuchte sie Seminare zur Staatswissenschaft, zur mittelalterlichen Geschichte sowie zur Geschichte der Wirtschafts- und Börsenkrisen. Zu ihren wichtigsten akademischen Lehrern und Förderern zählte der Nationalökonom Julius Wolf. Immer wieder verwickelte die ambitionierte Luxemburg, die sich bereits zu Schulzeiten mit den Theorien von Marx beschäftigt hatte, den Professor in intellektuelle Streitgespräche. Wolf beschrieb seine streitbare Studentin später als «begabtesten der Schüler meiner Züricher Jahre», eine Schülerin, die «freilich fertig als Marxistin aus Polen und Russland zu mir gekommen war».

Politisches Engagement in der Schweiz
Auch in der Schweiz war Rosa Luxemburg von Anfang an politisch aktiv. Zürich war auch ein Zentrum der politischen Emigranten, vor allem für Verfolgte aus dem zaristischen Russland. Einen von ihnen, den ebenfalls jüdischen Studenten Leo Jogiches aus Wilna, der sich wie sie früh in sozialrevolutionären Kreisen bewegt hatte, lernte sie 1890 kennen. Bald wurde aus dem politischen Team auch privat ein Paar. Zusammen mit Jogiches beteiligte Rosa Luxemburg sich an der Gründung der im Untergrund tätigen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königreichs Polen (und Litauen), und gemeinsam gaben sie die polnische marxistische Arbeiterzeitschrift «Sprawa Robotnicza» («Arbeitersache») heraus. In dieser Zeitschrift rief Rosa Luxemburg erstmals dazu auf, die Wirtschaftsordnung Kapitalismus und die Staatsform Monarchie in ganz Europa zu Fall zu bringen. Immer wieder griff sie in ihren zahlreichen Schriften und Reden Imperialismus und Militarismus an. Im Gegensatz zu Lenins Auffassung von einer straff gelenkten Partei als «Avantgarde der Arbeiterklasse» glaubte sie an eine Art emanzipatorische Variante des Sozialismus – mit ihrer These «Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden» versuchte sie, diktatorischen Tendenzen entgegenzuwirken. Und obwohl sie für eine soziale Revolution kämpfte, verstand sie sich stets als Pazifistin.

Auf dem III. Internationalen Arbeiterkongress in Zürich im August 1893 hatte die junge Pionierin der europäischen Proletarierbewegung ihren ersten öffentlichen Auftritt: Eine kleine, schmächtige Person im bürgerlichen Gewand, die, intelligent und rhetorisch beschlagen, den Kongress mit flammenden Worten und Charisma in ihren Bann zog. Und trotz der ihrem Polit-Engagement geschuldeten Studienunterbrechungen hier und da schloss Rosa Luxemburg ihre Uni-Zeit mit akademischen Weihen ab. Im März 1897 reichte die Doktorandin in Zürich ihre Dissertation ein. Thema: «Die industrielle Entwicklung Polens». Bereits ein Jahr später erschien die Arbeit in einem deutschen Verlag als Buch. Und sie trat in die SPD ein, damals die progressivste Arbeiterpartei weltweit.

Von Zürich nach Berlin
Im Jahr 1899, nur ein paar Monate nach ihrer Promotion, zog Fräulein Luxemburg von Zürich nach Berlin, um sich nun ganz der Arbeit in der deutschen Sozialdemokratie, der grössten und bestorganisierten Partei der internationalen Bewegung, zu widmen (und sich als Expertin noch besser für die Interessen Polens einsetzen zu können). Die dafür nötige deutsche (preussische) Staatsbürgerschaft hatte sie durch eine Formalehe mit dem deutschen Emigranten Gustav Lübeck, einem Bekannten, erhalten. Im kaiserlich regierten Deutschland für die Sozialdemokratische Partei (SPD) aktiv, entwickelte sich die scharfzüngige Intellektuelle rasch zur führenden Theoretikerin und Wortführerin des linken Flügels ihrer Partei. 1905 ging sie in den unter russischer Herrschaft stehenden Teil Polens und beteiligte sich in Warschau an Demonstrationen. 1904 musste sie denn auch wegen «Majestätsbeleidigung», 1906 wegen «Anreizung zum Klassenhass» für mehrere Monate ins Gefängnis. Dann kehrte sie über Finnland nach Deutschland zurück und wurde im Oktober 1907 Dozentin an der Parteihochschule der SPD in Berlin.

Im Ersten Weltkrieg versammelte sie die oppositionellen Kräfte gegen den Krieg um sich, denn nachdem die SPD-Reichstagsfraktion im August 1914 den Kriegskrediten zugestimmt hatte, konnte sich die engagierte Pazifistin mit ihrer Partei nicht mehr identifizieren. Die frühe Phase des grossen Krieges­ beobachtete sie aus einer Zelle. Weil sie 1913 bei einer Kundgebung in Frankfurt a. M. dazu aufgerufen hatte, den Kriegsdienst zu verweigern, wurde sie im Februar 1914 wegen «Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und gegen Anordnungen der Obrigkeit» angeklagt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Sitzung des Internationalen Sozia­listischen Büros im darauffolgenden Juli brachte ihr überdies die für sie ernüchternde Erkenntnis, dass auch innerhalb der sozialistischen Parteien der Nationalismus stärker ist als die internationale Solidarität. 1915 wurde das Gerichtsurteil aus dem Vorjahr vollstreckt. Von März 1915 bis Februar 1916 sowie von Juli 1916 bis November 1918 sass sie ein. Verstummen liessen sie auch die mehrmaligen Zeiten hinter Gittern nicht (auch weil es der Inhaftierten mehrmals gelang, Briefe und politische Aufsätze nach draussen zu schmuggeln und veröffentlichen zu lassen).

Im November 1918, zur Zeit der Novemberrevolution, freigekommen, fuhr sie nach Berlin, um als Redakteurin für die Spartakusbund-Zeitung «Die Rote Fahne» zu arbeiten. Ihr Ziel war es, den Krieg zu beenden – und das Programm der neuen, am Neujahrstag 1919 gegründeten, Kommunistischen Partei (KPD) zu entwerfen. Als sie zu einer von der KPD angeführten Massendemonstration gegen die SPD-Regierung in Berlin aufrief, begann der Anfang vom Ende. Sie nahm im Januar 1919 am «Spartakus-Aufstand» teil und wusste sich nach dessen Scheitern in Lebensgefahr. Gemeinsam mit ihrem Mitstreiter Karl Liebknecht wurde die Revolutionärin verschleppt und im Eden-Hotel, einem provisorischen Militärquartier, verhört und misshandelt. Beim Abtransport wurde sie von ihren Bewachern ermordet, ihr toter Körper beseitigt. Auch Liebknecht wurde erschossen. Als Täter gelten überwiegend ultrakonservative Mitglieder der Garde-Kavallerie-Schützenunion, die in Berlin die linken Aufständischen bekämpften. An Rosa Luxemburgs Beerdigung nahmen rund eine Million Menschen teil. Erst am 31. Mai wurde im Landwehrkanal ihre Leiche gefunden. Der Doppelmord an den KPD-Funktionären wirkt bis heute nach. Tausende pilgern zu den Jahrestagen an ihr Grab. Und bis heute gibt es Streit darüber, ob ein Sozialdemokrat oder ein Kommunist sie ans Messer geliefert hat.

Katja Behling, tachles

Blumen für Rosa Luxemburg

Zum 100. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg soll mit einem Strauss von Stimmen an die Aktivistin, Publizistin, Pädagogin, Botanikerin, Briefschreiberin und Freundin Rosa Luxemburg erinnert werden. Omanut lädt daher alle Interessierten zu einer Gedenkveranstaltung ein. Rosa Luxemburgs Aussagen können auch heute noch eine Orientierungshilfe sein, wie die Plädoyers von der in Budapest lebenden Philosophin­ Ágnes Heller und der deutschen Politikerin Marina Weisband beweisen. Einführend lesen die Schauspielerinnen Graziella Rossi und Hanna Eichel eine Auswahl der Gefängnisbriefe und bieten die Sopranistin Ruth Rosenfeld und der Pianist Stefan Wirth Hugo-Wolf-Lieder dar, die Rosa Luxemburg zutiefst schätzte.


Dienstag, 15. Januar 2019, 20 Uhr, Theater 
Neumarkt, Neumarkt 5, Zürich. http://www.omanut.ch/



Kategorien:Gesellschaft

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