Zum Tod des FDP-Politikers und ehemaligen Aussenministers


Klaus Kinkel 1997 in Jerusalem mit dem israelischen Staatspräsidenten Ezer Weizman (Foto: dpa)

So richtig laut war es um Klaus Kinkel nie gewesen. Auch wenn viele jetzt schreiben, dass es recht still um ihn geworden war. Bundesaussenminister, FDP‐Vorsitzender, BND‐Chef – an wichtigen Ämtern hatte es Kinkel nie gemangelt, und doch erscheint sein Werdegang nicht als der eines ehrgeizigen Karrieristen.

Wie wichtig etwa für den Mann, der 1936 im schwäbischen Metzingen geboren wurde, ein gutes Verhältnis zu Israel und zum Judentum war, ergab sich nicht primär durch sein Wirken als Aussenpolitiker, der mit den Kollegen in Jerusalem sprach und der in der Europäischen Union für eine Nahostpolitik eintrat, die Israels Bedürfnisse berücksichtigte. Es war eher die private Ebene, auf der es deutlich wurde. Seine Tochter Andrea verliebte sich in einen Israeli und konvertierte zum Judentum.

Mit Israel und dem Judentum verband ihn viel – »nicht zuletzt meine zwei jüdischen Enkelkinder«, wie er sagte.

MOSSAD – Kinkel selbst machte kein grosses Aufheben um diese Lebensentscheidung seiner Tochter, und den nun auch ihn betreffenden antisemitischen Angriffen – etwa, dass sein Schwiegersohn ein auf ihn angesetzter Mossad‐Agent sei – begegnete er mit sympathischer Ignoranz. Einfach nicht reagieren – und durchaus auch stolz sein.

Als Kinkel die Laudatio zur Verleihung der Martin‐Buber‐Plakette an Hans‐Dietrich Genscher halten durfte, erwähnte er, dass ihn mit Israel und dem Judentum doch viel verbinde – »nicht zuletzt meine zwei jüdischen Enkelkinder«.

Diese subtile Verbindung von Privatem und Politischem fiel bei Klaus Kinkel oft auf. In Hechingen, wo er aufwuchs, wirkte sein Vater als Arzt. Bis 1933 hatte auch der jüdisch‐kommunistische Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf in dieser Kleinstadt praktiziert. Kinkels Vater und Wolf sollen Freunde gewesen sein. Einer von Wolfs Söhnen, Markus Wolf, war später Chef der DDR‐Auslandsspionage bei der Stasi. Zur gleichen Zeit war Klaus Kinkel, von seinem Förderer Hans‐Dietrich Genscher lanciert, Chef des westdeutschen Auslandsgeheimdienstes BND.

Als 1979 der BND einen neuen Präsidenten brauchte, setzte Genscher seinen Vertrauten Kinkel durch.

DOSSIER – Irgendwie passte dieses merkwürdige Hintenherum zu Klaus Kinkel. Ab 1970 war er, der promovierte Jurist, persönlicher Referent von Hans‐Dietrich Genscher, damals noch Bundesinnenminister. Ohne dass es die Öffentlichkeit nennenswert registrierte, war er es, der – beauftragt von Genscher – Bundeskanzler Willy Brandt mit dem Dossier konfrontierte, wonach es einen DDR‐Spion in dessen engstem Umfeld gab. Brandt trat zurück, Kinkel blieb weiter im Hintergrund, nahe Genscher.

Als 1979 der BND einen neuen Präsidenten brauchte, setzte Genscher seinen Vertrauten Kinkel durch. Ein Bürokrat, so erschien er vielen, der ohne grössere Skandale den Geheimdienst leitete. Nach vier Jahren wechselte Kinkel ins Bundesjustizministerium, wurde dort Staatssekretär und – beinahe schon unauffällig – wurde Kinkel 1991 dort auch Minister.

Wie wenig man in der Öffentlichkeit über Kinkel wusste, fiel auf, als man erfuhr, dass er, der doch immer auf dem Ticket der FDP gereist war, erst mit der Berufung zum Minister in die Partei eintrat. Und 1992, nach Genschers Rücktritt, sogar deren Vorsitzender wurde.

Und Aussenminister wurde Klaus Kinkel. Bis 1998 blieb er im Amt und war derjenige, der dem wiedervereinigten Deutschland weltpolitische Bedeutung vermitteln sollte. Ob er es getan hat, ob Klaus Kinkel ein prägender Aussenpolitiker war, darüber gehen die Meinungen auseinander.

»Wer israelische Sportler ausschliesst, muss selbst mit Sanktionen rechnen«, sagte er.

TENNIS – Als die schwarz‐gelbe Koalition 1998 abgewählt wurde, zog sich Klaus Kinkel zurück. Nicht ganz, aber er war nicht mehr in der ersten Reihe präsent. Sport hatte den begeisterten Tennisspieler immer interessiert, und so wurde er sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag.

Dass das keine Abkehr von der Aussenpolitik bedeutete, war ihm klar. »Wer israelische Sportler ausschliesst, muss selbst mit Sanktionen rechnen«, erklärte er in dieser Zeitung einmal, als es wieder einen der viel zu vielen sportpolitischen Skandale gegen Israel gab.

Zu solchen Themen äusserte er sich gerne und mit Leidenschaft, auch wenn ihm nicht mehr die ganz grosse weltpolitische Bühne zur Verfügung stand. Wer ihn erreichen wollte, musste sich an die Bonner Telekom‐Stiftung wenden, wo eine Sekretärin seine Termine koordinierte.

Am Montag ist Klaus Kinkel im Alter von 82 Jahren in Sankt Augustin, seiner rheinischen Wahlheimat, gestorben.

(Martin Krauss, Jüdische Allgemeine)

 



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