König David sagte: „Der Anfang der Weisheit ist die Furcht vor dem Ewigen.“ (Psalme Davids: Psalm 111, Vers 10)
Thora-Parascha
Schabbat: „Acharej Mot / Kedoschim“
Sidra: 3. Mose 16:1 – 20:27
Haftara: Amos 9:7-15
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Achre Mot-Psalm 26
Wovon man sich fernhalten soll
Menschen werden von ihrer Umgebung beeinflusst. Gerade deshalb warnt die Tora: „Nach dem Tun des Landes Mizraim, in dem ihr geweilt habt, sollt ihr nicht tun, und auch nach dem Tun des Landes Kaanan, in das ich euch bringe, sollt ihr nicht tun, und in ihren Satzungen sollt ihr nicht wandeln“ (Wajikra 18, 3). Raschi erklärt: „Hieraus entnehmen wir, dass das Tun der Ägypter und Kaananiter verdorbener war als das der anderen Nationen.“ Worin bestand ihre Verderblichkeit? Im Midrasch „Torat Kohanim“ heisst es, dass in Ägypten und in Kanaan auch solche geschlechtlichen Beziehungen erlaubt wurden, die die Tora als Abscheulichkeiten verbietet (siehe auch Wajikra 18, 26 und 27).
In Psalm 26 ist von sexuellen Ausschweifungen (hebr.: Sima) nur an einer Stelle die Rede (Vers 10). Der Psalmist unterstreicht die Tatsache, dass es verschiedenartige Sünden gibt, von denen gottesfürchtiger Mensch sich fernhalten sollte. Er bekennt: „Ich sass nicht bei Leuten des Truges, mit Heuchlern habe ich nichts zu schaffen. Ich hasse jeden Verein von Übeltätern, bei Frevlern sitze ich nicht“ (Verse 4 und 5). Leute, die Gott lieben, sollten sich von einer solchen Gemeinschaft distanzieren, die das Gottesgesetz nicht anerkennt.
Nachdem der Psalmist seinen Weg des Gottesdienstes geschildert hat: „Ich wasche in Reinheit meine Hände, und umringe deinen Altar, Ewiger. Erschallen zu lassen die Stimme des Dankes, und zu erzählen alle deine Wunder. Ewiger, ich liebe die Stätte deines Hauses, und den Ort, wo deine Herrlichkeit thront“ (Verse 6 – 8) kommt er dann noch einmal auf das Gegenbild zu sprechen und bittet um himmlischen Beistand: „Nicht mögest Du mit Sündern meine Seele hinnehmen und mit Blutmenschen nicht mein Leben, die mit ihren Händen nach Sima greifen, und deren Rechte voll ist von Bestechung. Ich aber will in meiner Ganzheit fortwandeln, erlöse mich und schenke Gewährung mir“ (Verse 9 – 11). (Prof. Dr. Yizhak Ahren)
Sidra Achare Mot – Kedoschim
Sündenbock
Ein regelmässiger Tora-Leser weiss, dass nicht alles, was in der Tora steht, unumstritten ist. So bekommen wir Gesetze, die wir für ungerecht halten, lesen wir Geschichten, deren Glaubwürdigkeit zumindest zweifelhaft sind und werden Rituale vorgeschrieben, die unserer heutigen Weltanschauung nicht entsprechen. Letzteres gilt für das Ritual in der Doppel-Sidra dieser Woche, Achare Mot-Kedoschim, ein in unseren Augen grausames und unsinniges Verfahren. Ein mit Sünden beladener Bock wird an Jom Kippur in die Wüste gejagt und getötet. Der Hohepriester wählt mit Hilfe eines Loses zwei Böcke aus, wovon einer dem EWIGEN auf dem Altar geopfert und der andere zum Asasel (es ist nicht eindeutig wer oder was Asasel vorstellen soll) in die Wüste gejagt wird. Der Bock bringt die vom Volk begangenen Sünden zum Asasel und stellt damit die Versöhnung mit dem EWIGEN wieder her. (Wajikra 16, 10). Die Kommentatoren zerbrachen sich den Kopf darüber, wie dieses Sündenbock Ritual verstanden werden soll. Die vielen unterschiedlichen Meinungen zeigen die Tatsache, dass wir es hier mit einem schwer zu fassenden Ritual zu tun haben.
In einem Midrasch (Pirke deRabbi Elieser 46, 8) ist die Ziege eine Bestechung für Sama’el (dem für den Tod verantwortlichen Erzengel), damit er die Sünder an Jom Kippur in Frieden lässt.
Rambam (Maimonides, Führer der Unschlüssigen 3, 46) lehnt jede Verbindung zwischen dem Asasel, bösen Mächten oder Engeln ab. Diese Ziege, so Rambam, ist kein Opfer. Er interpretiert das Ritual als eine Allegorie. Einer der sündigt soll verstehen, dass seine Sünden ihn in ‚eine Wüste‘ bringen werden. Das Wegjagen der mit Sünden beladenen Ziege soll den potenziellen Sünder davon abhalten, die Sünde tatsächlich zu begehen. Rambam sieht die Vorgehensweise als ein generalpräventives Ritual.
Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808-1888 Deutschland) meint, dass die beiden Ziegen die Israeliten daran erinnern sollen, zwischen dem Guten und dem Bösen zu wählen.
Der Tempel wurde zerstört, das Ziegen-Ritual eingestellt, der Sündenbock aber hat überlebt. Als Phänomen wohlverstanden. Der Sündenbock ist eine Strategie, womit man ‘Sünden’ loswerden kann. Das Stigmatisieren einer bestimmten Gruppe in der Gesellschaft als Sündenbock soll bestimmte andere Gruppen aus der Feuerlinie halten und den tatsächlichen Zustand oder die wirklichen Fakten, wodurch eine unerwünschte Situation entstehen konnte, verhüllen. Wir vom Volk Israel kennen das Etikett ‘Sündenbock’ nur all zu gut. Abermillionen von uns wurden verfolgt und ermordet, weil die jüdischen Gemeinschaften als Sündenbock für die Pest, gescheiterte Ernten, Finanzkrisen, Verarmung bestimmter Bevölkerungsschichten und Kriege hinhalten mussten. Auch heute wird eifrig nach Sündenböcken gesucht für den Ausbruch der Corona Pandemie. China, wirtschaftliche Mächte, die Presse oder Politiker, die nicht akkurat vorgegangen sind.
Ich lese das Sündenbockritual als eine in der Antike übliche Methode dafür, wie Individuen und Gruppen von Sünden gereinigt werden konnten. Rambams Interpretation gefällt mir besonders. Meine Sünden führen mich in eine mentale Wüstenexistenz. Für eigene Sünden gibt es keine Sündenböcke.
Schabbat Schalom,
Rabbiner Ruven Bar Ephraim, JLG Zürich
Paraschat Haschawua: achare-mot.kedoschim.1.j. achare-mot.kedoschim.haftara
Kategorien:Gesellschaft
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