Thorazitat – Parascha


König David schrieb einst in seinen Psalmen: „Er ist der Ewige, unser Gott, über die ganze Erde reicht Sein gerechtes walten!“

Thora-Parascha

Schabbat „Wa’Jischlach“
Lesung: 1. Mose 32,3 – 36,43
Prophetenlesung: : Jirmeja 29:1 – 14

Wajischlach-Psalm 140
Gebet um Schutz

Wer den Wochenabschnitt Wajischlach und Psalm 140 aufmerksam liest, dem dürfte es nicht schwerfallen, den gesuchten Berührungspunkt zu finden. Sowohl in der Tora als auch im Psalm betet ein Mensch, der sich bedroht fühlt und Angst hat, der Ewige möge ihn beschützen.

Auf die Begegnung mit seinem Zwillingsbruder Esaw hat sich unser Stammvater Jakob sorgfältig vorbereitet (siehe Raschi zu Bereschit 32,9). Jakob sprach das folgende Gebet: „Rette mich doch aus der Hand Esaws, denn ich fürchte ihn, dass er nicht komme und mich, die Mutter samt der Kinder erschlage, und du hast doch gesagt: Gutes will ich dir erzeigen, sodass ich deine Nachkommen wie Sand des Meeres werde werden lasse, der vor Menge nicht gezählt werden kann“ (Bereschit 32,12 und 13). Rabbiner S. R. Hirsch erläutert Jakobs Gebet: „Rette mich um meiner Kinder willen, auf die du doch den Bau einer so grossen Zukunft verheissen.“

Im Psalm lautet die Bitte um Gottes Schutz: „Befreie mich, Ewiger, von bösen Menschen, vor dem Manne der Gewalt behüte mich. Die Bosheit sinnen im Herzen, den ganzen Tag Streit erregen. Sie schärfen ihre Zunge wie eine Schlange, Skorpionengift ist unter ihren Lippen. Sela. Bewahre mich, Ewiger, vor Frevlers Händen, vor dem Manne der Gewalt behüte mich, die sinnen meine Tritte zu stürzen. Gelegt haben mir Hoffärtige Schlingen und Seile, ein Netz gebreitet neben dem Pfade, haben mir Fallen gestellt.

Sela“ (Verse 2 bis 6). Vers 9 lautet: „Gewähre nicht, Ewiger, die Wünsche des Frevlers, sein Sinnen führe nicht aus, dass sie sich nicht überheben. Sela.“ Bemerkenswert ist, dass der Midrasch (Bereschit Rabba, Parascha 75,9) den Frevler im zitierten Vers als Esaw identifiziert.

Zum Schluss sei erwähnt, dass auch wir Gott jeden Tag (am Anfang des Morgengebets) um Schutz vor frechen und bösen Menschen bitten. (Von:Prof. Dr. Yizhak Ahren)

 SIDRA WAJISCHLACH, 16. KISLEW 5782

Herunterspielen
 

Der Teil, den wir aus der dieswöchigen Sidra Wajischlach lesen, ist im Gegensatz zu den sonst spannenden Geschichten von Bereschit ziemlich trocken. Wir bekommen eine Art Zusammenfassung über die Geburt Benjamins und den damit verbundenen Tod Rachels, ihre Beerdigung, über den neuen Wohnort von Ja‘akow und seiner Familie, den Tod Jizchaks und wie seine Söhne Ja’akow und Essaw ihn beerdigen. Dann richtet sich die Kamera auf Essaw und seine Nachkommen. Eine Mitteilung (Vers 35, 22) jedoch lässt uns aufhorchen. Sie beschäftigt die Rabbiner seit Jahrhunderten: «Wajelech Reuven wajischkaw et Bilhah Pilegesch Awiw – וַיֵּלֶךְ רְאוּבֵן וַיִּשְׁכַּב אֶת־בִּלְהָה פִּילֶגֶשׁ אָבִיו – da ging Reuven hin und schlief bei Bilhah, der Nebenfrau seines Vaters.»
 

Viele jüdische Interpreten entlasten Reuven, indem sie den Worten eine andere Bedeutung zuerkennen. Reuven hätte die Ehre seiner Mutter Rachel retten und verhindern wollen, dass Ja‘akow seine Konkubine Bilhah heirate (Midrasch Aggada Wajischlach 35, 22). Oder, Reuven hätte keine Straftat begangen, da er sich lediglich auf das Bett von Bilhah gesetzt habe, ohne sie anzufassen. Der Beweis sei, dass weder er noch seine Nachkommen ausgestossen wurden (Midrasch Sechel Tow Midrasch Wajischlach 35, 22). Rabbenu Bachja (Bachja ben Ascher, 1255-1440; Kommentar zur Stelle) meint, jeder, der behaupte, Reuven habe Geschlechtsverkehr mit Bilhah gehabt, irre sich. Owadja Sforno (1470-1550; Kommentar zur Stelle) dahingegen bestreitet die Geschlechtstat nicht, verteidigt Reuven jedoch damit, dass er, Reuven, Teschuwa, Busse, getan haben soll. Radak Rabbi David Kimchi, 1160-1235; Kommentar zur Stelle) ist, soweit ich es überschauen kann, der Einzige, der weder die Tat noch die wortwörtliche Bedeutung des Berichtes bestreitet, herunterspielt oder uminterpretiert.   
 

Es gibt ein linguistisches Detail, das diesem so beiläufig erwähnten Ereignis einen bitteren Geschmack verleiht.  «Wajischkaw et Bilhah – und er schlief ‘die’ Bilhah» (in korrektem Deutsch «und er schlief mit oder bei Bilhah») bedeutet in der kausativen Form an anderen Stellen im Tanach ‘Vergewaltigung’ (Bereschit (34, 2; 2. Schmuel 13, 14). Das Wort ‘et’ weist auf die kausative Form, das heisst, dass ein Geschehnis durch jemanden bewirkt wird. Die deutsche Übersetzung steht in der Dativform, die an anderen Stellen im Tanach auf eine nicht gewalttätige Beziehung hinweist (Bereschit 30, 16; 2. Schmuel 11, 4 und 12, 24). Im Teil der Sidra, den wir dieses Jahr nicht lesen, wird von der Vergewaltigung von Dina, der einzigen Tochter Ja’akows, durch Schechem, berichtet: «וַיַּרְא אֹתָהּ שְׁכֶם בֶּן־חֲמוֹר הַחִוִּי נְשִׂיא הָאָרֶץ וַיִּקַּח אֹתָהּ וַיִּשְׁכַּב אֹתָהּ – Und Schem, Sohn des Hettiter Chamor, des Landes Fürst, nahm sie und schlief mit ihr (Bereschit 34, 2, wajischkaw ota = kausativ, er beschlief sie).

Die israelische Reformbewegung hat den Schabbat, an dem dieses Verbrechen gelesen wird, deswegen ‘Schabbat Dina’ genannt. Kommender Schabbat ist der Schabbat vor dem von den Vereinten Nationen erklärten Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (https://www.un.org/en/observances/ending-violence-against-women-day).
 

Die Art und Weise, wie die meisten (männlichen) Erklärer mit der Vergewaltigung von Bilhah umgehen, unterscheidet sich nicht wesentlich von der Art und Weise, wie weltweit im Allgemeinen mit Gewalt gegen Frauen und Mädchen umgegangen wird. Obwohl die gesellschaftliche Stellung der Frauen, insbesondere in der westlichen Welt, unvergleichlich besser ist als die im Tanach beschriebene, macht mich die Absenz der Empörung (ich weiss, die ‘Me-Too-Bewegung’ soll ein ‘wake-up-call’ sein) grimmig und traurig.
 

Das Anprangern der Problematik und das Zuerkennen von einer passenden Bestrafung (zurzeit wird Tätern eine lächerlich niedrige Strafe auferlegt) für diese Verbrechen gegen insbesondere Frauen und Mädchen müssten neben Corona, Klima und Massenimmigration die politische Agenda bestimmen.
 

Schabbat Schalom,

Rabbiner Ruven Bar Ephraim, Jüdische Liberale Gemeinde Zürich

PARASCHAT HASCHAWUA

+ wajischlach.3.j.pdf + wajischlach.haftara.3.j.pdf



Kategorien:Gesellschaft

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