Daten von 6,45 Millionen Israelis ungesichert im Netz


Screenshot von der Website der Daten-App für die Wahlen

Die Partei von Ministerpräsident Netanyahu hat ihren Iowa-Moment: Dank ihrer Wahlhelfer-App war das gesamte israelische Wählerverzeichnis für jedermann zugänglich – inklusive sensibler persönlicher Daten.

Wer dachte, das Debakel um die Wahlhelfer-App der US-Demokraten in Iowa sei schon schlimm gewesen, sollte nach Israel schauen. Die Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat dort sensible persönliche Daten aller 6,453,254 Wahlberechtigten des Landes in ihre Wahlhelfer-App geladen. Wegen einer Sicherheitslücke waren sie nicht sicher und wurden so praktisch ungesichert für jedermann zugänglich ins Internet gestellt. Das berichtet die israelische Tageszeitung Haaretz.

Die Zeitung wurde demnach von einem anonymen Tippgeber darauf aufmerksam gemacht, der als Beweis Daten zu „mächtigen Personen in Israel“ mitgeschickt habe. Es sei unbekannt, wie viele Personen Zugriff auf die Daten hatten.

Wie die Zeitung erklärt, enthält die Datenbank enthält Namen, Ausweisnummern, Anschriften, Telefonnummern, Parteipräferenz und andere persönliche Daten der Wahlberechtigten. Jede Partei in Israel bekommt diese Daten vor einer Wahl für ihre Kampagne zur Verfügung gestellt, muss sich aber verpflichten, sie zu schützen und nicht mit Dritten zu teilen. Der Likud hat die Daten mit der App „Elector“ verknüpft, die es Helfern am Wahltag unter anderem ermöglicht, Unterstützern Nachrichten zu schicken und sie zu den richtigen Wahllokalen zu lotsen.

Der israelische Software-Entwickler Ran Bar-Zik hat jedoch herausgefunden, dass im Quellcode der Website, über die sich die App herunterladen liess, ein verräterischer Link zum Server enthalten war. Eine simple Anfrage über diesen Link an den Server offenbarte mehrere Benutzernamen und Passwörter der „Elector“-Administratoren, wie „ZDNet“ berichtet. Damit konnte man sich auf der Website einloggen und auf die komplette Datenbank zugreifen.

Die Zugangsdaten hätten niemals ohne zusätzliche Passwortabfrage vom Server abrufbar sein dürfen. Die Administratoren hätten als weitere Sicherheitsmassnahme eine Zwei-Faktor-Authentifizierung verwenden müssen, die ein Einloggen allein mit Benutzername und Passwort verhindert. Wie lange die Daten auf diese Weise zugänglich waren und viele Menschen sie heruntergeladen haben, ist unklar. Die Partei habe sich auf Anfrage gar nicht dazu geäussert, berichtet die Tageszeitung „Haaretz“, für die Bar-Zik arbeitet.

Die App stammt laut Haaretz von einer Firma namens Feed-b, die von einem „einmaligen Vorfall“ gesprochen habe, „der unverzüglich behoben“ worden sei. Die Sicherheitsmassnahmen seien verstärkt worden. Ein Update der App auch im Google Play Store.

Es war demnach auch nicht der erste Datenschutzskandal der grössten konservativen Partei Israels. Datenbanken ihrer Wähler seien schon mehrmals ins Internet gestellt worden; auch das zentrale System des Likud sei bereits gehackt worden. Im aktuellen Fall seien aber nun alle Wähler in Israel betroffen und damit sei das gigantische Leck wohl nur mit einem aus dem Jahr 2006 vergleichbar. Damals habe ein Angestellter des Innenministeriums das Bevölkerungsregister entwendet und illegal weiterverbreitet.

In Israel wird am 2. März ein neues Parlament gewählt.

In weniger als drei Wochen wird es in Israel zum dritten Mal innerhalb eines Jahres landesweite Wahlen geben. Und bereits jetzt machen sich die Behörden einen Kopf, dass es wohl auch dieses Mal nicht zu einer Regierungsbildung kommen wird. Daher wurde vorsichtshalber schonmal ein Datum für den Fall der Fälle angesetzt.

Israels politischer Kommentator Amti Segal berichtet in der Tageszeitung Jediot Ahronot: „Während die Wahlzettel für die dritte Wahl gedruckt werden, hat sich das Zentrale Wahlkomitee in aller Stille zusammengesetzt, um ein Datum für eine vierte Wahl festzulegen. Dieses Datum ist der 8. September 2020. Man scheint also sehr skeptisch zu sein (was Israels Regierungsbildung anbelangt). Aber auch sehr realistisch.“

Wie realistisch ein solches Szenario ist, zeigen aktuelle Umfragen, deren Ergebnisse belegen, dass die Resultate der Wahl genau wie in den beiden vorherigen ausfallen werden:

Auch am 2. März würde die Blau-Weiss-Partei wieder 36 Sitze gewinnen, die Vereinigte Arabische Liste 13, Schass 8, Yemina (ein Zusammenschluss aus rechtsgerichteten Parteien) 8, Arbeitspartei-Meretz 8, die Vereinte Thorapartei 7 und Israel Beteinu 6 Sitze.

Blau-Weiss wäre also einmal mehr die grösste Partei, allerdings nicht mehrheitsfähig. Mithilfe einer Koalition würde die mitte-links Gruppierug nur auf 44 der 120 Knessetsitze kommen. Premierminister Netanjahu und die Rechte würden zusammen mit anderen Mandaten 57 Sitze auf sich vereinen können, aber ebenfalls keine Mehrheit bilden können.

Avigdor Libermans Israel Beiteinu hat ausdrücklich klargemacht, er werde nicht mit einer Regierung unter Netanjahu koalieren, die mit ultra-orthodoxen Parteien gemeinsame Sache macht. Seine Partei hat aber auch nicht genug Sitze, um der Blau-Weiss-Partei dabei helfen, eine stabile Regierungs zu formen.

Mit anderen Worten, Israels Zentrales Wahlkomitee handelt eigentlich relativ pragmatisch. Die Frage ist dann, wird es dann bei einer vierten Wahl bleiben?

(JNS und Agenturen)



Kategorien:Gesellschaft

Schlagwörter:, , ,

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

%d Bloggern gefällt das: